„Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt“

Neerstedt – (ts) · „Nein“, sagt Leonie. Etwas zu zaghaft findet Gudrun Löhlein. „Noch einmal, und bitte auch mit der entsprechenden Körperhaltung.“ Das „Nein“ kommt viel bestimmter, sagt diesmal tatsächlich aus: „Ich will das nicht“.
Wie man sich selbst behauptet, anderen Grenzen aufzeigt und wie man dafür seine Stimme nutzen kann, vermittelt Löhlein in dieser Woche den Mädchen aus den beiden vierten Klassen der Grundschule Neerstedt im Rahmen eines Wen-Do-Kurses. Parallel lernen die Jungen von dem Bremer Andreas Scholl-Staus „Ki-Aikido“.Mit dem Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungsangebot sollen die Grundschüler fit gemacht werden, bevor sie zu den weiterführenden Schulen in Wildeshausen entlassen werden. „Denn dort sind sie plötzlich wieder die ‚Kleinen‘“, so Löhlein.
Jeweils in zwei Gruppen aufgeteilt, lernen die insgesamt 37 Mädchen und Jungen einige Tricks und Kniffe, wie sie in brenzligen Situationen reagieren können. Ziel ist es, dass die Kinder Gefahren erkennen und möglichst vermeiden können. Übermütig sollen sie allerdings nicht werden. „Es ist ein Unterschied, ob sie mit einer Gleichaltrigen in Konflikt geraten oder mit einem erwachsenen Mann. Hier haben die Mädchen keine Chance“, nimmt ihnen Löhlein die Illusion.
Mit der zweiten Gruppe von acht Viertklässlerinnen probierte sie gestern in der Neerstedter Sporthalle einige Übungen aus, die im Anschluss stets besprochen wurden. Unter anderem mussten sich die Mädchen mit verbundenen Augen von einer Mitschülerin durch die Halle und die angrenzenden Räume führen lassen. „Was meint ihr, wofür diese Übung gut war?", fragte Löhlein anschließend. „Das war ein Vertrauensspiel“, wussten die Mädchen. „Diejenigen, die geführt wurden, mussten sich auf die andere verlassen, und die, die geführt haben, mussten Verantwortung übernehmen.“ Aber auch die Körperwahrnehmung sollte während dieser Aufgabe geschult werden.
Ebenfalls trainierten die Mädchen gestern ihre Stimme sowie Körperhaltung für verschiedene Situationen. „Und auch das Springen beziehungsweise Fallen aus größerer Höhe mit Abrollen steht gleich noch an“, so Löhlein.
Während die Mädchen schon zahlreiche praktische Übungen absolvierten, gab es für die Jungen zunächst eine Theorieeinheit. Was ihnen Andreas Scholl-Staus dabei vermittelte? „Wenn man will, ist man stark“, verrieten die Jungen. Und: „Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.“ Scholl-Staus machte den Jungen aber klar deutlich, dass Selbstverteidigung nicht nach dem Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ abläuft. „Ich rüttele hier mächtig am Machoimage“, so der „Ki-Aikido“-Referent, der sich gegen Mittag dann auch mit den Jungen in die kleinen Turnhalle begab. Dort verkündete er – sehr zur Freude der Schüler: „Wir machen jetzt einen Spaßkampf. Wichtig ist: Niemand soll sich weh tun.“ Zu der kleinen Rauferei ließen sich die Jungen gerne anstiften, rangen auf den Matten, bis sie erschöpft waren. Dass Ki-Aikido die „Kunst der gewaltlosen Selbstverteidigung“ ist, steht bei dem Kurs aber im Mittelpunkt – genauso, wie das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken.
Die Selbstbehauptungskurse für die Viertklässler sind seit Jahren eine feste Einrichtung in der Grundschule Neerstedt. Finanziert werden sie unter anderem durch die Gleichstellungsbeauftragte und das Jugendamt des Landkreises Oldenburg sowie durch die Gemeinde Dötlingen und den Förderverein der Grundschule.
Da:Kreiszeitung.de

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