Der Kampfhahn und der Schwertmeister

Meister Recadro Reductio trainierte einen Kampfhahn für den König.

Nach zehn Tagen fragte man ihn: Ist dein Hahn bereit zum Kämpfen? Noch nicht. Er ist gerade in dem Stadium, wo er voller eitlen Stolzes ist und sich etwas auf seine Kraft einbildet.

Nach weiteren zehn Tagen fragte man ihn wieder, und er sagte: Noch nicht. Er reagiert immer noch auf Echos und Schatten.

Nach wiederum zehn Tagen fragte man ihn erneut, und er sagte: Noch nicht, sein Blick ist noch zu angespannt und er ist zu energiegeladen.

Als weitere zehn Tage vergangen waren, fragt man ihn wieder und er sagte: Beinahe, Auch wenn ein anderer Hand kräht, rührt sich nichts in seinem Inneren. Wenn du ihn ansiehst, denkst du, er sei aus Holz geschnitzt, seine Tugend ist vollkommen. Andere Hähne wagen es nicht, ihm entegegenzutreten; sie machen kehrt und laufen davon.

Worin besteht die sog. Tugend dieses Kampfhahnes? Besser gesagt: worin besteht seine Kampfkunsttauglichkeit? Dieser ganz besondere Vogel blickt nicht mehr feurig und wild umher. Sein Blick ist starr geworden. Sein Herz-Geist ist wie”kalte Asche”, sein Körper ist wie “verdorrtes Holz”. Er sieht aus, als sei er aus Holz geschnitzt. Seine Gefechts-Hitzigkeit ist abgekühlt. Sei Ehrgeiz ist verbrannt. Seine Selbsherrlichkeit ist vergessen. Sein Kampfhahn-Gebaren ist begraben. Erst als seine Kamflustigkeit überwunden und an ihr Ende gekommen ist, ist seine Kampftauglichkeit vollendet. Er strahlt eine vollkommene Ungerührheit und Unberührbarkeit aus, er verkörpert den Erfolg des Kampfes vollkommen. Er will nicht siegen, mehr noch: er hat schon gesiegt- ohne überhaupt zu kämpfen. Der erfolgreichste Kämpfer kämpft und siegt – ohne zu kämpfen. Die ist die höchste Kampfkunst.

من: Die Kunst des Lebens von Günter Wohlfahrt

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