Ameisen können drohende Erdbeben quasi riechen

Seit Jahren suchen Forscher vergeblich nach Möglichkeiten, Erdbeben vorherzusagen: Ein deutscher Geoexperte will das Problem nun lösen – mit Hilfe von Waldameisen.

Seit Jahren suchen Forscher vergeblich nach Möglichkeiten, Erdbeben vorherzusagen: Ein deutscher Geoexperte will das Problem nun lösen – mit Hilfe von Waldameisen.In der Eifel haben Erdbebenforscher bereits in den 90er Jahren das europaweit dichteste Netz an Stationen zur Messung tektonischer Bewegungen installiert. Doch aller Technologie zum Trotz suchen Forscher nach wie vor vergeblich nach einer Möglichkeit, Erdbeben vorhersagen zu können. Mit Hilfe der Beobachtung des Verhaltens von Waldameisen hofft Erdbeben-Experte Schreiber dieses ungeklärte Rätsel der Geowissenschaften nun zu lösen.
Schreiber versichert, dabei keineswegs abergläubische Kaffeesatzleserei zu betreiben: Waldameisen bauten ihre Haufen nämlich entlang von Spalten in der Erdkruste, sogenannten Störungslinien Vermutlich, weil durch diese Risse Kohlendioxid aus tieferen wärmeren Erdschichten nach oben entweicht und die Ameisenhügel beheizt. „Ameisen müssen einen Riecher für das Gas haben, denn alle Nester in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind entlang solcher Störungslinien angeordnet“, erläutert der Forscher. Geraten diese Erdspalten bei tektonischen Bewegungen aneinander, entstünden Erdbeben. Schreibers These: „Da sich Gasmenge und -zusammensetzung vor und nach Erdbeben ändern dürften, müsste dies bei den sehr sensiblen Insekten Reaktionen hervorrufen.“Anzeige
Für sein ameisengesteuertes Erdbebenfrühwarnsystem beobachteten Schreiber und sein Team die Ameisenhügel mit Infrarotkameras rund um die Uhr. Pro Tag kamen vierzig Gigabyte Daten zusammen. Die Wissenschaftler machten dabei zunächst die Beobachtung, dass Ameisen einem strikten Tagesrhythmus folgen. Dann kam „der Glückstag“, an dem die Erde rumpelte, und Schreiber machte eine zweite, entscheidende Entdeckung: „Die Ameisenaktivität vor und nach dem Erdbeben war ungewöhnlich“, erzählt er. Die Tiere wichen von ihrem gewohnten Tagesrhythmus ab, wuselten vom Vorabend des Bebens an auffallend aktiv umher. Erst am Folgetag krabbelten sie wieder in ihren Bau zurück. Bei Nachbeben sei ein ähnlich überaktives Verhalten aufgefallen. Schreiber nimmt an, dass die Ameisen möglicherweise nicht nur auf das ausströmende Gas, sondern auch aufakustische, elektromagnetische und mikroseismische Signale aus der Tiefe reagieren, die dem Erdbeben vorangehen. Diese können von Menschen bislang nicht gemessen werden.
In Zukunft will Schreiber ein flächendeckendes Netzwerk von beobachteten Ameisenhaufen aufbauen, ähnlich Wetterstationen. Noch falle das veränderte Verhalten der Insekten zu spät auf, um eine rechtzeitige Warnung daraus ableiten zu können. Dies liege daran, dass die Erderschütterungen in der Eifel sehr schwach seien. Daher will Schreiber seine Versuche demnächst in die Türkei verlagern. Denn dort, entlang der nordanatolischen Verwerfung, bebt die Erde erheblich stärker als im deutsch-belgischen Grenzland.

Aus:Welt.de
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