Kartoffelschalen, Olivenkerne und Essenreste müssen nicht im Abfall landen, sondern können direkt als Brennstoff für moderne Kochherde verwendet werden. Gerade in vielen Ländern der Dritten Welt, wo noch auf offenen Holzfeuern gekocht wird, könnte kostbares Holz gespart und zugleich gesundheitsschädigenden Russemissionen verhindert werden. Als Rückstand des Kochens ensteht wertvolle Biokohle. Das Kochen von Gemüse und Fleisch gehört zu den ältesten Errungenschaften der Menschheitsgeschichte. Gemäss Richard Wranghams höchst plausibler Theorie hat sogar das Kochen den Menschen überhaupt erst zum Menschen gemacht. Wann genau unsere Vorfahren zu kochen begonnen haben, darüber besteht unter den Wissenschaftlern noch Streit. Doch egal, ob es nun 700 000 Jahre oder über eine Millionen Jahre her sein mag, sicher ist, dass die Menschen die allerlängste Zeit ihrer Geschichte am Holzfeuer gekocht haben. Je stärker jedoch die Bevölkerungszahlen anwuchsen, desto knapper wurde das in unmittelbarer Nähe zum Wohnort nachwachsende Brennholz. Wie die Beispiele in Mesopotamien, am Indus, am Nil oder in Hellas noch heute vor Augen führen, wurden riesige Gebiete komplett entwaldet. Dies führte nicht nur zu Hungerkatastrophen und ökologischen Desastern, sondern insbesondere auch zur Verknappung von Brennstoffen und damit zu schwer lösbaren Problemen der Nahrungsmittelzubereitung. Durch die Entdeckung von Kohle und Erdöl sowie die Erfindung von Zement wurde dem Raubbau am Wald zumindest in Europa ein vorläufiges Ende gesetzt. Hausbau, Heizung und Nahrungszubereitung konnten fortan auf Basis der neuen Energieträger und Baustoffe gewährleistet werden. Doch diese energetische Wende hin zum Fossilen täuschte zu lange darüber hinweg, dass der Raubbau an der Natur lediglich in tiefere geohistorische Schichten verlagert wurde. Was nach den Kriterien der Nachhaltigkeit zum Heizen, Bauen, Transportieren und Kochen an Energie zur Verfügung steht, ist lediglich das, was sich im gleichen Tempo des Verbrauches auch wieder erneuert. Das heisst, verbraucht werden dürfte nur das, was die Sonne tagtäglich der Erde an Strahlungsenergie zur Verfügung stellt und das durch die bestehenden Ökosysteme oder Technologien zwischengespeichert wird. Um eine ausgeglichene Energiebilanz aufzuweisen, dürften die Menschen lediglich die Brennstoffe und Energien nutzten, die jedes Jahr in der Biomasse akkumuliert oder ansonsten in Form von Wind, Wasserkraft, Wärme oder Photonen durch die Sonnenstrahlung nutzbar gemacht werden können. Fast alle anderen Energien sind von der Erdgeschichte geraubt und führen zu einer Destabilisierung der Energiebilanzen und damit auch der Ökosysteme. In Entwicklungsländern, in denen insbesondere der verarmten und enteigneten Landbevölkerung der Zugang zu fossilen Brennstoffen sowie zu Elektrizität verwehrt ist, werden aufgrund des galoppierenden Bevölkerungswachstums die nachwachsenden Ressourcen derart ausgebeutet, dass es häufig nicht nur an Nahrungsmitteln, sondern auch an Brennstoffen zur Zubereitung der wenigen Nahrungsmittel fehlt. So belaufen sich in Darfur, um ein besonders extremes Beispiel zu geben, die täglichen Kosten für Brennstoffe zum Kochen rund 2 US-Dollar, wohingegen die täglichen Kosten für Lebensmittel lediglich 5 Cents betragen. In vielen Regionen der Welt sind Brennstoffe zu einem knappen Gut geworden, dessen Beschaffung nicht nur kilometerweite Sammelwege erfordert, sondern vor allem auch die umgebende Natur ihrer Regenerationskraft beraubt. Das Beschaffen von Brennstoffen zum Kochen und das Erzeugen von Grundnahrungsmitteln wird so zu einem sich gegenseitig beschleunigenden Teufelskreislauf. Pyrokocher könnten hier eine Abhilfe schaffen, da nicht nur Holz, sondern auch sämtliche biologische Abfallstoffe als Brennstoff verwendet werden können. Der Einsatz solcher Pyrokocher führt zudem zu einer wesentlichen Reduktion der Luftbelastung in Wohnräumen und ganz nebenbei entsteht auch noch Biokohle. Diese kann zur Bodenverbesserung benutzt und damit zur Verbesserung der Nahrungsmittelproduktion eingesetzt werden. Funktionsweise eines Pyrokochers Es existiert bereits eine Vielzahl unterschiedlicher Pyrokocher in allen Preisklassen. Das Grundprinzip ist aber immer das gleiche: Der Ofen besteht aus zwei ineinander geschobenen Zylindern. Der innere Zylinder ist die nach oben offene Pyrolysekammer. Am jeweils oberen und unteren Ende der Zylinderaußenwand sind Löcher gebohrt, aus denen das brennbare Gas aus- bzw. einströmen kann. Der äussere Zylinder umschliesst den inneren und schließt ihn am oberen Ende luftdicht ab. Am unteren Ende des äußeren Zylinders befinden sich Öffnungen, durch die Außenluft für die Verbrennung angesaugt wird. Das Ansaugen kann, wie in der nebenstehenden Grafik dargestellt, durch einen Ventilator unterstützt und reguliert werden, was aber nicht unbedingt nötig ist. Im Grunde lässt sich solch ein Ofen aus zwei alten Blechbüchsen, einem Bohrer und einem Lötkolben herstellen. Der innere Zylinder wird mit vorgetrockneter Biomasse (Gemüseschalen, Zweige, Trockenmist etc) befüllt und mit etwas Zunder oben angezündet. Durch den Luftstrom, der in der äußeren Kammer nach oben fließt, werden die Pyrolysegase in der inneren Kammer nach unten gesaugt. Durch die unten angebrachten Löcher treten die Gase in die äußere Kammer, wo sie mit Luft vermischt nach oben steigen, um dort oberhalb des Brennstoffs wieder in die innere Kammer einzutreten. Am oberen Ende des inneren Zylinders verbrennen die Gase mit sehr sauberer Flamme und ohne Rußbildung. Der Vorgang hält solange an, bis die gesamte Biomasse des inneren Zylinders zu Biokohle umgewandelt ist und die Flamme erlischt. Ist die Verkohlungstemperatur von ca. 400 Grad jedoch einmal erreicht, kann für eine längere Brenndauer problemlos zusätzliches Brennmaterial in den inneren Zylinder nachgeschüttet werden. Vorteile von Pyrokochern Die grossen Vorteile von Pyrolysekochern sind die saubere Verbrennung, die hohe Variabilität der Brennstoffe und die Gewinnung von Biokohle. Die Vermeidung der hohen Luftbelastung, wie sie durch ein offenes Feuer in einem geschlossenen Raum entsteht, wäre ein beträchtlicher Fortschritt. Gehören Rauchgasvergiftungen doch noch heute in vielen Ländern zu den häufigsten Todesursachen. Grosse Vielfalt an Pyrokochern Weltweit werden zahlreiche Modelle angeboten, die vom Campingmodel für den ökologisch bewussten Wanderer (Hobostove) bis hin zu kleineren und grösseren Kocher für den Einsatz in Entwicklungsländern reichen. Es gibt Varianten, die auf bestimmte Brennmaterialen wie z.B. Reisspelzen spezialisiert sind. Andere Modelle versuchen entweder die Biokohleproduktion oder die Energieleistung zu optimieren. Besonders erwähnenswert sind die Pyrokocher der Firma Worldstove, mit denen dank eines internationalen Grossprojekts nach dem Erdbeben auf Haiti die dortige Bevölkerung ausgestattet wurde. Die Webseite des Herstellers wartet mit ausführlichem Informationsmaterial, Filmen, Dokumentationen und auch mit einer Anleitung zum Eigenbau von Biokohlekochern auf. Pyrokocher werden mittlerweile fast weltweit hergestellt. Zu den interessantesten Herstellern und Modellen gehören: Oorja (India), Daxu (China), Tn Orient (China), Champion TLUD (India), Navagni (India), Philips Natural Draft Woodstove (India), Sampada (India), MJ Biomass Gas Stove (Indonesia), LuciaStoves (Italy), BMC Rice Husk Gas Stove (Philippines), MJ Rice Husk Gas Stove (Indonesia), Mayon Turbo Stove (Philippines / Gambia / Senegal) SAMPADA Pyrokocher aus Indien Im indischen Pune wurde am Appropriate Rural Technology Institute ein mobiler Pyrokocher entwickelt, der zum Zubereiten kleiner Mahlzeiten und von Getränken geeignet ist. Als Brennstoff können Pellets, Holzschnitzel, kleine Ästchen und anderes mehr verwendet werden. Die Öfen werden für rund 24 Euro verkauft. Mit einer Füllung kann eine Stunde lang gekocht werden, wobei der Ofen auch problemlos während des Betriebs nachgefüllt werden kann. Aus einem Kilo trockener Biomasse entstehen rund 250-300 Gramm Biokohle. Die Biokohle kann später ebenfalls als Brennstoff an offenen Feuerstellen verwendet oder eben als Bodenverbesserer in Garten oder Landwirtschaft eingesetzt werden. Bei einem täglichen Betrieb mit einem Kilo trockener Biomasse würde innerhalb eines Jahres genügend Biokohle hergestellt, um einen Gemüsegarten von 100m2 zu langfristig gesteigerter Fruchtbarkeit zu verhelfen. Geschrieben von: Hans-Peter Schmidt, Delinat-Institut Aus:Nachhaltigkeit.org
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