Ausnahme-Athletin Regina Halmich

Es ist fünf Minuten vor der verabredeten Zeit, aber ich kann mich ja erst mal umsehen im Gym Bulldog in Karlsruhe. Doch sie steht schon im Foyer, zierlich, lächelnd, eine ganz normale junge Frau mit Bodenhaftung. Wie sie da steht und mir die Hand reicht, ist sie einfach nur sympathisch. Nichts lässt auf die Schlagkraft schließen, mit der sich Regina Halmich an die Weltspitze geboxt und dort zwölf Jahre unbesiegt gehalten hat. Die Ausnahme-Boxerin hat als Sportlerin nicht nur Siege errungen, sie hat sich vor allem durch ihre ungekünstelte Art große Sympathien erworben, beim jungen wie beim älteren Publikum. Seit Jahren hat Regina Halmich vor ihren Kämpfen mit Jugendlichen gesprochen, hat ihnen Autogramme aufs T-Shirt geschrieben und sie als Gäste zum öffentlichen Wiegen eingeladen – zur Freude auch von Günter Koschig, der als Motor der WR-Aktion „Kraft gegen Gewalt“ diese Begegnungen immer wieder initiiert und begleitet hat. Seit Anfang dieses Jahres ist Regina Halmich offiziell zur Botschafterin des WEISSEN RINGS ernannt. Den Verein und seine Arbeit für die Opfer hält sie für sehr wichtig. Regina Halmich war Boxerin mit Leib und Seele, und so hat sie ihrem Sport auch nicht völlig den Rücken gekehrt, als sie 2007 nach ihrem 56. Profi-Kampf, mit dem sie einmal mehr den Weltmeister-Titel verteidigt hatte, zurück trat. Bei vielen Kämpfen ihrer Kollegen sitzt sie im Publikum und gibt Fach-Kommentare – wenn sie nicht selbst als Moderatorin vor der Kamera steht. Der Abschied, das gibt sie gerne zu, ist ihr nicht leicht gefallen: „Das ist auch ein Kampf gegen sich selbst, auch gegen Emotionen.“ Das wusste sie und deshalb hat sie sich im Jahr davor intensiv auf die Zeit danach vorbereitet. Sie strebte die Moderation im Fernsehen an – der Anfang ist mit gerade 30 ganz sicher etwas einfacher als er es mit Mitte 30 geworden wäre. Sie hat ihre sportlichen Erfolge genossen, aber ihr war auch wichtig, im Erfolg aufzuhören: „Ich habe alles erreicht, habe alle geschlagen. Es ist besser aufzuhören, wenn man körperlich noch kann, besser, als der berühmte Kampf zu viel.“ (Foto: Ingrid Weber) Und so genießt sie das Leben, sieht sich jede Woche vor neuen Aufgaben und Herausforderungen: „Das ist der größte Luxus, wenn man sich die Jobs und Aufgaben selbst aussuchen kann.“ Dabei ist ihr wichtig, noch Dinge bewegen zu können – die Vorstellung, mit 32 nichts mehr zu tun zu haben, die passt nicht in ihr Weltbild. Etwas bewegen will sie auch im Ehrenamt, sie unterstützt neben dem WEISSEN RING u.a. das Bündnis für Straßenkinder. Das ehrenamtliche Engagement ist ihr auch deshalb wichtig, weil es ihr selbst gut ergangen ist und sie deshalb etwas zurückgeben möchte an Menschen, denen es nicht so gut geht. „Kraft gegen Gewalt“ mit den Aktionen und Angeboten für Jugendliche hält Regina Halmich für sehr gut, vor allem auch in der Verbindung mit Boxen. Dabei lernen die Jugendlichen, dass Gewalt zu nichts führt, sondern dass Regeln eingehalten werden müssen. Deshalb hat sie auch immer wieder Schüler eingeladen zu ihren Kämpfen, hat den Jugendlichen auch die Freude gemacht, sich mit ihnen fotografieren zu lassen, um für den Sport zu werben. „Ich glaube, wenn Jugendliche mehr Sport, auch Kampfsport, machen würden, wären sie viel ausgeglichener und würden nicht so viele Aggressionen mit sich herumschleppen. Die Aggressionen können sie im Box-Training gut loswerden. Und sie lernen dabei Disziplin, Pünktlichkeit und Respekt vor anderen Menschen.“ Und deshalb hat sie auch mit Khoren Gevor, dem Europameister im Mittelgewicht, die Schirmherrschaft für das Hamburger Schulprojekt Box-Out (http://www.boxout/. de) übernommen, das in enger Kooperation mit dem WEISSEN RING läuft. Geschäftsführer des Vereins Box-Out ist Christian Görisch, ein A-Trainer, mit dem gemeinsam Regina Halmich eine Fitness-DVD unter dem Titel „Box Dich fit“ für Trainierte wie Untrainierte aufgenommen hat. Zum Boxen kam Regina Halmich über Karate: Eine Freundin hatte sie mitgenommen ins Gym Bulldog, der Kampfsport machte ihr Spaß, doch ihr Trainer Jürgen Lutz empfahl ihr bald Kickboxen. „Ich war Feuer und Flamme, das war absolut mein Ding“, erinnert sie sich. Doch weil sie mit den Fäusten besonders stark war, lenkte Lutz das junge Mädchen schließlich zum Boxen. Da hatte sie mit 30 Kämpfen im Kick-Boxen schon jede Menge Ring-Erfahrung gesammelt, die ihr im Boxen zugute kam. Früh wuchs mit dem Box-Training und den Amateur-Erfolgen bis zur Europameisterschaft der Gedanke an eine Profi-Karriere. So sicher sie sich in ihrem Wunsch war, so baute sie eben doch auf berufliche Sicherheit und machte eine Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin. Bald war klar, dass sie dieses „Sprungtuch“ nicht benötigen wird. Jürgen Lutz, ihren ersten Trainer, sieht sie noch heute als ihren großen Förderer. Er knüpfte auch die ersten Kontakte nach Amerika. Den ersten Kampf um die Weltmeisterschaft im Fliegengewicht hat sie allerdings verloren, knapp drei Wochen, nachdem sie die Europameisterschaft erfolgreich verteidigt hatte. Dies blieb der einzige verlorene Kampf in ihrer Ausnahme- Karriere. Zwei Monate später, im Juni 1995, holte sie sich dann im Kampf gegen Kim Messer (USA) in Karlsruhe den Weltmeisterschaftsgürtel – und gab ihn nicht mehr ab vor ihrem Rücktritt. Regina Halmich hat im Box-Sport für Frauen alle Türen geöffnet. Ihre Nachfolgerinnen haben es dennoch schwerer. „Das Publikum muss sich mit der Person identifizieren können. Sich in die Herzen der Menschen zu boxen, ist nicht so einfach“, sagt sie. Für eine Art Urknall für das Frauen-Boxen und die breite Anerkennung von Regina Halmich sorgte 2001 sicherlich Stefan Raab mit seinem vollmundig angekündigten Show-Kampf gegen die Box-Queen. 7,35 Mio. Zuschauer wollten in TV total sehen, was passiert, wenn eine 1,61 Meter kleine Frau auf einen 1,86 Meter großen Mann trifft. Die immense Wirkung dieser Show, die für den Moderator bekanntlich mit gebrochener Nase endete, war nicht vorher zu sehen. Beide entwickelten danach ein lockeres freundschaftliches Verhältnis und sie zollt ihm Respekt: „Er ist ein absoluter Profi!“ Und so kam es schließlich 2007 zu einer Neuauflage. Das Duell fand in der Köln-Arena vor 19.500 Zuschauern statt, vor den Bildschirmen saßen 7,74 Mio. Menschen. Trotz ihres sportlichen Erfolges, trotz des Ruhms hat Regina Halmich die Bodenhaftung nicht verloren. Sie lebt nach wie vor in Karlsruhe, hält den Kontakt mit Katja, ihrer besten Freundin aus Jugendtagen. Sie trainiert noch immer an der Ursprungsstätte ihres Erfolgs. Und im Gym hat sie auch ihren Lebensgefährten kennengelernt, mit dem sie seit sechs Jahren zusammen lebt. An Kinder denken die beiden noch nicht: „Dafür ist unser Leben noch viel zu umtriebig. Um Kinder muss man sich kümmern. Ich bin sehr glücklich, so, wie es ist.“ Man glaubt es aufs Wort, als der Lebensgefährte nach dem Training im Foyer des Gyms bei uns vorbeischaut und sich verabschiedet, ehe er schon mal voraus nach Hause fährt.

(Pressemeldung von Weißer Ring)

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