"Das Selbstwertgefühl steigt"

Ehingen. Wie die Inklusion behinderter Menschen gelingen kann, zeigen wir in unserer Serie „Mitten drin“ am Beispiel der Außenarbeitsplätze der Heggbacher Einrichtungen bei der Firma Liebherr in Ehingen. Franz Hettrich hat eine Spastik in der linken Hand, und dennoch vermag er geschickt mit dieser Hand die Schraubstopfen zu halten, die er mit dem Akkuschrauber in der rechten Hand auf die Armaturen der Hydraulikschläuche schraubt. Zügig geht es vorwärts, etwa 1000 Stück bearbeitet Franz Hettrich pro Tag – rund vier Mal so viele wie zu Beginn. „Für meine Hand ist das wie Gymnastik“, erzählt er in sehr langsamem Tempo. Seit einem Verkehrsunfall vor 38 Jahren ist der heute 49-Jährige mehrfach, auch sprachlich, behindert. Er arbeitete lange im Heggbacher Werkstattverbund, doch seit Mai 2008 hat er einen von insgesamt vier Außenarbeitsplätzen des Werkstattverbunds und der Heggbacher Werkgemeinschaft für seelisch Behinderte bei der Firma Liebherr. Im Jahr 2004 wurden die vier Arbeitsplätze eingerichtet, um Behinderten die Chance zu geben, im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. „Für eine Weltfirma arbeiten – das ist schon toll“, sagt Hettrich. „Hier ist es gut, einwandfrei“, lobt er, und seine beiden Mitstreiter Markus Bachhofer sowie Claudia Knoll, die ebenfalls früher in der Heggbacher Werkstatt beziehungsweise -gemeinschaft und mittlerweile seit fünf beziehungsweise drei Jahren bei Liebherr tätig sind, pflichten ihm bei. „Das Arbeitsklima ist super, die Leute sind sehr nett, und wenn es bei uns mal eilt, setzen sich auch andere Kollegen dazu und helfen uns“, schildert Claudia Knoll, während sie ihre Stopfen auf die Armaturen dreht. Markus Bachhofer erzählt, dass er mit einigen Mitarbeitern recht engen und guten Kontakt habe. Den drei behinderten Menschen gefällt es so gut, dass sie ihren Arbeitsplatz nicht mehr hergeben möchten. Doch nicht jeder Behinderte der Werkstatt und -gemeinschaft würde sich bei Liebherr wohlfühlen können, räumt Gottfried Haid, Außenstellenleiter der Werkgemeinschaft, ein. Deshalb gibt es auf dem vierten Außenarbeitsplatz auch eine wechselnde Besetzung, oder er wird von mehreren Behinderten belegt, wenn besonders viel zu tun ist. Etwa fünf bis zehn Prozent der seelisch Behinderten, also stark psychisch Erkrankten, sowie rund fünf Prozent der geistig Behinderten sind nach Einschätzung von Haid und Werkstattleiter Matthias Rehm theoretisch für die Arbeit in der freien Wirtschaft geeignet (wir berichteten). Genug Ausdauer und psychische Stabilität sowie genug fachliches Können seien die wichtigsten Voraussetzungen, die eben nicht bei jedem gegeben seien. Die Inklusion Behinderter in der allgemeinen Arbeitswelt macht nach Ansicht des Leiters des Heggbacher Werkstattverbunds, Peter Reißig, nur dann Sinn, wenn sich die Betroffenen selbst auch dort wohlfühlen – und die nicht-behinderten Mitarbeiter offen dafür sind. Das sei nicht überall der Fall: In einem Betrieb haben nach Angaben der Fachleute die Behinderten gesondert gearbeitet und die Mahlzeit eingenommen. „So soll es natürlich nicht laufen“, findet Haid. Bei Liebherr ist es nach Auskunft aller ganz anders: Hier setzen sich Behinderte und Nicht-Behinderte gemeinsam an den Mittagstisch, unterhalten sich in der Pause und besuchen zusammen die Weihnachtsfeier. Martin Kopf, der bei Liebherr die Abteilung Schlauch- und Rohrmontage leitet, bestätigt: „Sie sind absolut anerkannt und gut hier aufgehoben. Mit ihnen wird wie mit jedem anderen Kollegen auch geredet, das ist für die Leute ganz selbstverständlich.“ Und die Behinderten zeigten vollen Einsatz: „Sie schaffen sehr selbstständig und absolut zuverlässig“, lobt er. Reißig findet folgenden Effekt am erfreulichsten: „Durch die Arbeit steigt das Selbstwertgefühl der Betroffenen ganz stark. Das macht so viel aus.“ Wer Hettrich und seinen Kollegen über die Schulter schaut, gewinnt den Eindruck, dass die Aussage nicht übertrieben ist. Aus:swp.de

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