Doch der bescheidne Kanaride
Entwich, der Last des Beifalls müde,
Noch eh der Hahn zum Abzug bließ
Und sang auf einem öden Anger
Itzt, unbeklatscht von Spatz und Specht,
Sein schönstes Lied. Er hatte Recht;
Das Lob ist des Verdienstes Pranger.
Gottlieb Konrad Pfeffel
Aus der Sammlung Poetische Versuche
Der Kanarienvogel (Serinus canaria forma domestica), auch Kanarie, süddeutsch und österreichisch Kanari, selten auch Kanarienhahn oder Harzer Roller, für gelbgefiederte schönsingende Arten, genannt, stammt vom Kanarengirlitz (Serinus canaria) ab. Der Kanarengirlitz bewohnt die atlantischen Inselgruppen der Kanarischen Inseln und Azoren sowie die Insel Madeira. Er lebt vor allem von Samen und Pflanzenteilen und in der Brutzeit auch von Insekten. Im Laufe von mehr als 500 Jahren hat der Mensch diesen Singvogel zu einem Haustier domestiziert.
Der Kanarienvogel ist etwas größer als sein wilder Vorfahre, der Kanarengirlitz. Gesangs- und Farbenkanarienvögel sind etwa 13,5 cm bis 14,5 cm groß. Positurkanarienvögel gibt es von 11 cm bis 23 cm Länge. Der Kanarienvogel zeichnet sich durch eine harmonische Finkenform – mit einem rund geformten Kopf und einem kurzen Kegelschnabel – aus.
Der Flug des Kanarienvogels ist auffallend wellenförmig und entspricht damit dem Flugbild der Finken.
Ob die Ureinwohner der Kanaren den Kanarengirlitz als Käfigvogel hielten, ist wegen seines schönen Gesangs wahrscheinlich, aber umstritten. Seit der Eroberung der Kanarischen Inseln im Jahre 1496 brachten die Spanier den Kanarengirlitz nach Europa. Da sie gern Süßes mochten, wurden sie auch „Zuckervögelchen“ genannt. Wegen ihres Gesangs und ihrer Munterkeit erlangten sie schnell große Beliebtheit und wurden zum Symbol für Luxus und Weltgewandtheit. Auf Grund der steigenden Nachfrage mussten sie in großen Mengen verschifft werden. Da die Klöster große Einnahmen durch den Handel mit Kanarengirlitzen erwarteten, begannen die Mönche mit der Zucht von Kanarienvögeln. Hier wies vor allem das Kloster Cádiz große Erfolge auf. Um ihr Monopol zu wahren, verkauften die Spanier nur die Männchen, die wegen ihres schönen Gesangs besonders bei den Damen des Adels und der reichen Bürger äußerst beliebt waren. Spanien verkaufte die Kanarienvögel an Portugal, England, Frankreich und Italien. Um 1550 gelangten die Italiener jedoch in den Besitz von Kanarienvogelweibchen und begannen eine eigene Zucht. Das Monopol der Spanier brach zusammen.
Vor 1600 traten bei der Zucht erste Mutationen auf. Zuerst waren es gelbe Flecken im Gefieder, die recht bald zu reingelben Vögeln gezüchtet wurden. Auch die Tiroler Gesangskanarien waren überwiegend gelb. Im Jahr 1667 wurde in Deutschland von reinweißen Kanarienvögeln berichtet. Zuvor waren Gemälde von weiß gescheckten Kanarienvögeln zu sehen. Auch graue, grau gescheckte und braune Kanarienvögel wurden in Büchern des 17. und 18. Jahrhunderts erwähnt. In diese Zeit fallen auch die Achatvögel, die in Holland erstmals erwähnt wurden. Die Mutationen der weißen, grauen und Achatvögel verschwanden wieder, da zu dieser Zeit die Vererbungsregeln noch nicht bekannt waren.
Schon um 1600 züchteten die Tiroler die Kanarienvögel nach und gründeten nach einigen Jahren eine Zucht- und Handelszentrale. Bald hatten sie gelbe und weiße Kanarienvögel gezüchtet. Zudem kamen sie auf die Idee, Nachtigallen als Vorsänger für die jungen Hähne einzusetzen. In Imst am Inn wurde eine Gesellschaft für den Versand in alle Welt gegründet. Die Tiroler Vogelhändler zogen mit Rückengestellen, auf denen Kanarienvögel in kleinen Holzkäfigen getragen wurden, durch ganz Europa. Um 1700 gelangten die Kanarienvögel über Tirol nach Deutschland und in die Niederlande. Innsbruck, Nürnberg und Augsburg werden als Handelszentren genannt. Bis Ende des 16. Jahrhunderts wurden nur Gesangskanarien gezüchtet. Danach wurde auch auf die Farbe und zuletzt auf die Positur Wert gelegt. Die Blütezeit der Kanarienvogelzucht war das 18. Jahrhundert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann im Harz die Zucht, da viele Tiroler auf Grund höherer Löhne dorthin ausgewandert waren. Hier konzentrierte man sich auf den Gesang und verbesserte die Gesangsqualitäten. So wurde der Harzer Roller innerhalb relativ kurzer Zeit weltberühmt. Ab 1842 wurden Kanarienvögel vom Harz in die USA exportiert. Der Absatz stieg 1860 bereits auf 15.000 pro Jahr. 1882 wurden 120.000 Kanarienvögel nach New York transportiert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erreichte die Harzer Zucht ihren Höhepunkt: Über eine Million Harzer Roller wurden exportiert.
Dass der Kanarienvogel auch als Gaswarnanlage der Harzer Bergarbeiter diente, gehört eher in das Reich der Legende, da sie dafür zu wertvoll waren. Für diesen Zweck verwendeten diese gefangene Wildvögel.
Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Farbenkanarienzucht populär. Die seinerzeit ausgestorbenen Mutationen traten wieder auf und es kamen noch weitere hinzu. Mit dem Wissen der Vererbungsmechanismen (Mendelsche Regeln) war es nun nicht mehr schwer, die aufgetretenen Mutationen zu festigen und stabile Zuchtstämme aufzubauen.
Das wohl größte Ereignis in der Farbenkanarienzucht war die Realisierung des roten Kanarienvogels durch die Einkreuzung des Kapuzenzeisigs. Es war jedoch ein langer Weg, das Rot zu stabilisieren, da nur ein geringer Prozentsatz der männlichen Mischlinge aus Kanarienvogel und Kapuzenzeisig fruchtbar war. In der Zeit zwischen 1915 und 1925 gelang es einigen deutschen Züchtern – vor allem dem in Ostpreußen lebenden Bruno Matern – die roten Kanarienvögel zu festigen. Auch wenn die Farbenkanarienzucht in Deutschland die wohl wichtigsten Impulse bekam, so wurde doch diese Zucht in den Niederlanden und Belgien viel fleißiger betrieben.
Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts begannen Züchter, gezielt neue Rassen zu schaffen und bekannte Rassen zu standardisieren. Beispielsweise begann man in den 1980er Jahren Zwergformen von einigen Rassen zu züchten. Bei der Kanarienvogelzucht werden große Fortschritte erzielt, so dass einige Rassen so in ihrem Genmaterial gefestigt sind und international anerkannt werden. Auch werden fast jährlich neue Rassen aus fernen Ländern entdeckt.
Carina
Aus Wikipedia
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