Die Bedeutung der Körpersäfte

Gudula Steiner-Junker Therapeutischer Humor verlangt etwas völlig anderes als Witz und Ironie

Es gibt nur wenige Berufe, die so viel fordern wie die soziale Arbeit mit älteren Menschen. Zu Unterstützung derer, die sich auf diesem Gebiet engagieren, bietet die Volkshochschule in diesem Semester einen Kurs an, der mit Hilfe von Humor Entlastung schaffen soll.

„Die meisten Menschen betrachten Humor als eine Art intellektuelle Haltung. Und wer nicht lacht, hat keinen Humor“, erzählt Gudula Steiner-Junker, Leiterin des Humor-Seminars. Doch geht es in ihrem Seminar nicht um Witz oder Ironie: „Das hat nichts Heilsames.“ Die Dozentin der Volkshochschule versteht stattdessen Humor im ursprünglichen Sinne: Das Wort stammt aus dem Lateinischen, dort bezeichnen die „Humores“ die verschiedenen Säfte im Körper, die für das innere Gleichgewicht des Menschen zuständig sind. „Wenn diese Körpersäfte ausgewogen sind, fühlen wir uns gekräftigt. Durch Stress kommen sie jedoch durcheinander“, erklärt Gudula Steiner-Junker.

Da in der Konzeption des therapeutischen Humors Geist, Seele und Körper eine untrennbare Einheit darstellen, schwächt das gestörte Gleichgewicht im Körper auch Seele und Geist. Andersherum stärkt aber auch alles, was den Körper stärkt, automatisch den Geist und die Seele.

„Viele zweifeln an dieser Einheit. Doch das ist etwas, das jeder ganz leicht nachprüfen kann“, führt die Humortherapeutin aus. „Essen Sie ein Eis. Das richtet sich primär an den Körper, aber auch die Seele fühlt sich wohler, und dies ist wieder ein Schritt Richtung innerer Einklang.“ Und den inneren Einklang schätzt sie hoch ein: Befinden sich bei einem Menschen die Säfte im Gleichgewicht, habe er keinen Tunnelblick mehr, erläutert die Dozentin. Es finde eine Erweiterung seines Horizonts statt und Leistungsstärke und Kreativität würden gesteigert.
Der grundlegende, therapeutische Ansatz des Humors besteht darin, die positiven Fähigkeiten und Seiten des Einzelnen hervorzuheben. Während ein Arzt nach einer Krankheit und Symptomen sucht, konzentrieren sich Humortherapeuten auf die Stärken der betreffenden Person. „Es ist so wie in der Geschichte von den zwei Freunden beim Segeln. Als der eine kentert, sagt der andere nicht, dass er schlecht segeln würde, sondern, dass er gut schwimmen könne“, erzählt die Kursleiterin.

Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass der therapeutische Humor nicht versucht, Leid und Sorgen wegzuwischen. Vielmehr wird nach einem konstruktiven Umgang mit Problemen gesucht: „Ich nehme den anderen vollständig an, indem ich ihm beispielsweise bei seinen Sorgen zuhöre. Das stärkt ihn.“ Doch auch das richtige Zuhören will gelernt sein. Dazu trainieren die Seminarteilnehmer in zahlreichen Rollenspielen die sogenannte wertschätzende Gesprächsführung. Rechthaberei und Abwertung sind bei diesem heilsamen Dialog tabu. In der Theorie klingt dies einfach, aber in der Praxis zeigt sich, dass die Menschen selbst mit den besten Absichten immer wieder zur Besserwisserei und ähnlichem neigen.

Zusätzlich wird aber auch die Körpersprache der Kursteilnehmer trainiert, denn durch sie wird bereits ohne Worte mit dem Gesprächspartner kommuniziert. Oft erweckten Mimik und Gestik einen Eindruck, der gar nicht beabsichtigt sei, erklärt die Leiterin. Auf diese unbewussten Dinge müsse besonders geachtet werden.

Einen weiteren wichtigen Baustein zur Stärkung des Menschen stellen die sogenannten Humorinstrumente dar. „Jeder Mensch hat Gefühle und Sinne, über die er erreicht werden kann. Dies kann über wohltuende Gerüche, angenehme Musik oder Berührungen wie das Streicheln erreicht werden. Dort knüpfen die Humorinstrumente an“, erläutert die Dozentin: „Sie stellen alles dar, was ebenfalls über die Sinne geht und wohl tut.“

Während der Veranstaltung legen die Teilnehmer eine Sammlung solcher Humorinstrumente an, die teilweise äußerst kuriose Gegenstände einschließt: Extravagante Kleidungsstücke, uralte Stofftiere oder ausgefallene Musikinstrumente, die aus dem Alltag aufwecken sollen, sind keine Seltenheit.

Gudula Steiner-Junker selbst ist Künstlerin, die schon vor 16 Jahren mit den Klinikclowns Humor zur Genesung einsetzte und damit ergänzend zur herkömmlichen Medizin einen künstlerischen Ansatz zur Stärkung von Körper und Geist vertritt. Sie erweiterte das damalige Konzept von Kindern auf Ältere und kam so zur Altenarbeit.

Sie würde sich freuen, wenn die Teilnehmer das Wissen nicht nur zur eigenen Stärkung nutzten, sondern es auch an ältere Menschen weitergeben würden. Doch im Seminar kann sie nur Impulse gegeben, wer im Anschluss an das Seminar was aus dem Gelernten macht, kann sie nicht beeinflussen.

Allerdings kommen in ihre Seminare nicht nur professionelle Altenpfleger, sondern auch Menschen, deren Eltern pflegebedürftig geworden sind. „Das Konzept ist so zugeschnitten, dass es auch bei der Pflege der eigenen Verwandten eingesetzt werden kann. Ich erhalte deshalb immer ein sehr positives Feedback.“ Gerade aus diesem Kreis kommen in den letzten Jahren immer mehr: „Die demografischen Zahlen zeigen, wie wichtig das Thema ist: Die Menschen in diesem Land werden immer älter.“ Daher freut sich die Humortherapeutin besonders, dass die VHS so offen für neue Konzepte ist: „Ich kann die Geisteshaltung der Volkshochschule nur als sehr fortschrittlich bezeichnen.“

Aus:Wiesbadener-tagblatt.de

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