Jiu Jitsu„Das ist ein Teil meines Lebens“

Essen. Fatma Ibrahimbas überlegt kurz. „Ja“, sagt sie dann. Ja, sie sieht sich als Vorbild für andere. „Weil ich zeige, dass man trotz Vorurteilen alles schaffen kann, wenn man möchte und gegenüber Jungs selbstbewusst auftreten kann.“ Und selbstbewusst ist die 19-Jährige, die in weißem Jiu-Jitsu-Anzug im Trainingsraum der Sportschule Samurai sitzt.Daneben ihre Schwester Derya, 16 Jahre alt, mit braunem Gurt. Die Prüfung dafür haben sie im Dezember abgelegt. Dabei betreiben beide ihren Sport erst seit viereinhalb Jahren, haben also sehr schnell sehr viel gelernt. „Normalerweise braucht man sechs bis acht Jahre bis zum Schwarzgurt“, sagt Anna Stratmann, Trainerin in der Kampfschule und Trainingspartnerin von Fatma Ibrahimbas.

Doch das ist nicht der Grund, warum sich Fatma und Derya als Vorbild sehen. Beide haben einen türkischen Pass – und sofort hat man Meldungen im Kopf von türkischen Eltern, die ihre Kinder nicht am Schwimmunterricht teilnehmen oder auf Klassenfahrt fahren lassen. Das war für Fatma und Derya nie ein Thema, obwohl es beim Jiu-Jitsu nicht gerade zimperlich zugeht und auch regelmäßig Bodenkampf mit Jungen trainiert wird. Schließlich könne man sich draußen auch nicht aussuchen, von wem man überfallen wird, meint Stratmann. Und ergänzt: „Die beiden sind voll integriert und haben sich auch schon gegen manchen Jungen durchgesetzt.“

Auch für die Eltern war das Hobby der Töchter nie ein Problem, im Gegenteil: „Unsere Eltern haben uns sogar überredet, ein Probetraining zu machen“, sagt Derya. Sie selbst wären auf diese Idee gar nicht gekommen – waren aber vom ersten Training so begeistert, dass sie gar nichts Anderes mehr machen wollten.

Seit zwei Jahren sind die beiden sogar Co-Trainer. Sie helfen beim Kindertraining und springen ein, wenn die Trainer im Urlaub sind, leiten dann also komplett das Kinder-, Jugend- und Erwachsenentraining. „Das ist besonders schön für die Kindergruppen, weil wir viele türkische Kinder haben“, sagt Stratmann. „Und manche haben schon ein komisches Frauenbild, die lernen dann von Anfang an, dass es auch anders sein kann.“

Dennoch kommt es gelegentlich vor, dass sich die beiden von den männlichen Schülern einen dummen Spruch anhören müssen. „Dann gibt es sofort Konsequenzen“, erzählt Derya. „Entweder Liegestützen oder wir gehen zum Trainer.“ Und die greifen hart durch: „Wenn so etwas mehr als einmal vorkommt, dann fliegen diejenigen raus“, sagt Stratmann. Meist aber können die beiden solche Konflikte selbst lösen.

Dabei stehen sie oft vor Schülern, die älter sind als sie selbst. „Das ist schon manchmal ein komisches Gefühl, aber eigentlich läuft das ganz gut“, sagt Fatma. Zeit für andere Freizeitbeschäftigungen haben die Schwestern kam, sie trainieren vier- bis fünfmal pro Woche. „Das ist einfach ein Teil meines Lebens“, sagt Derya und ihre Schwester ergänzt: „ Ich kann mir gar nicht vorstellen, damit mal aufzuhören.“

Schließlich habe ihr der Kampfsport und die Arbeit als Co-Trainerin auch anderswo Vorteile gebracht: „Früher war ich sehr schüchtern“, sagt sie. „Jetzt bin ich viel selbstbewusster, zum Beispiel wenn ich in der Schule ein Referat halten muss.“ Deshalb noch ein Appell an ausländische Eltern: „Die Eltern sollten keine Vorurteile haben, sondern ihre Kinder hierhin schicken“, sagt sie. „Sie sollten ihre Kinder unterstützen.“

Aus:derwesten.de

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