Ju Jitsu: Das 35-jährige Bestehen der World Ju Jitsu Federation Deutschland wurde in Schwäbisch Gmünd gefeiert

Angekündigt wurde schlicht eine Jubiläumsveranstaltung der World Ju Jitsu Federation Deutschland – doch es wurde ein Fest der Budokünste! Das Yawara-Dojo des TSB Gmünd, unterstützt von den anderen WJJF-Dojos im Gmünder Raum, empfing als Gastgeber zur Feier des 35-jährigen Verbandsjubiläums Selbstverteidigungssportler nicht nur aus ganz Deutschland, sondern aus Italien, der Schweiz, Österreich, Ungarn und sogar aus Großbritannien.
Den Auftakt der Jubiläumsfeier bildete der internationale Lehrgang in der Gmünder Großsporthalle in der Katharinenstraße, an dem weit über 200 Kampfsportler aus den verschiedensten Stilrichtungen teilnahmen. Die fernöstlich inspirierte, aufwendige Hallendekoration sorgte für ein besonderes Flair. Voller Erwartungen waren die vielen Teilnehmer auf die Unterrichtseinheiten der internationalen Großmeister, von den mehrere in der Fachwelt als lebende Legenden betrachtet werden.
Der schon 72-jährige und immer noch quirlige Italiener Spartaco Bertoletti, 9. Dan Jiu Jitsu ist aktueller Präsident der WJJF International. Zusammen mit dem 67-jährigen Engländer Robert Clark, 9. Dan Jiu Jitsu und Koordinator der WJJF International, zeigte er, dass exzellenter Budosport keine Frage des Alters sein muss. Selbst komplizierte Bewegungsabläufe wurden von den beiden fürwahr großmeisterlich demonstriert – und mancher junge Schwarzgurt hatte Mühe, nachzumachen, was die beiden „Oldies“ vorgezeigt hatten. Obwohl der deutschen Sprache nicht mächtig, konnten die beiden sehr gut die Details ihrer Techniken erklären und brachten mit ihren kleinen Späßen auch zum Ausdruck, dass Kampfsport nicht immer nur mit bierernster Miene betrieben werden muss.
Lothar Nest, 9. Dan Martial Arts und 8. Dan Judo hat in Berlin mehrere Kampfsportschulen und ist einer der wenigen Deutschen, die in Japan im Kodokan eine Dan-Prüfung abgelegt haben. Auch als Tierschützer ist er viel unterwegs. Seine kommunikative Art ohne jegliche Star-Allüren kam bei den Teilnehmern sehr gut an.
Franz Strauß, 9. Dan, aus Österreich, war schon ein Kampfsport-Großmeister, als die meisten Teilnehmer noch nicht einmal geboren waren. Der heute 77-jährige Budosportler der alten Schule beeindruckt immer wieder bei Seminaren durch seine Griffsicherheit, wenn er Angreifer durch Verdrehen der Gelenke zur Aufgabe zwingt oder wie ein „Weihnachtspaket“ verschnürt. Obwohl er ein recht kleiner Mann ist, und darüber hinaus auch eher zierlich gebaut, hat man bei ihm das Gefühl, von einem Riesen in die Mangel genommen zu werden – ein wunderbares Beispiel, dass effektive Techniken die fehlenden Körperkräfte ersetzen können. Hinzu kommt bei Franz Strauß ein ausgeprägt bescheidenes Auftreten gepaart mit dem typischen Wiener Charme.
Günther Biegert, ein Ur-Gestein der Deutschen Kampfsport-Szene und einer der Gründerväter der WJJF-Deutschland, zeigte kurze und schnelle Techniken, die sich sehr gut für die Verteidigung im Ernstfall eignen. Der Franzose Jerome Cavalli, 5. Dan Judo, ist ebenfalls ein eher kleiner, allerdings recht durchtrainierter und muskulöser Sportler. Auf beeindruckende Weise erläuterte er im Stand und Boden das Judo-Prinzip „Siegen durch scheinbares Nachgeben“. Dazu gehörte nicht zuletzt das gezielte Spielen mit den Bewegungen und den Gleichgewicht des Gegners.
Von zehn bis 17 Uhr wurde unter Anleitung dieser und weiterer Trainer konzentriert gelernt und geübt. Besonders auffallend war dabei die Disziplin, die nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Jugendlichen und die Kinder an den Tag legten. Während in manchen so genannten „Budosport-Verbänden“ heute reiner Sport ohne philosophisch-kulturellen Hintergrund praktiziert wird, legt die WJJF immer noch sehr großen Wert auf die Wahrung des echten Budo-Geists und der Etikette. Anstand und Höflichkeit, nicht nur im Training, werden großgeschrieben.
Am Ende der Trainingseinheiten gab es für Torsten Kosuch, Polizeibeamter und Dojo-Leiter in Leipzig, eine Überraschung: Ihm wurde der 6. Dan (rot-weißer Gürtel) verliehen. Er ist damit der erste Budosportler aus den neuen Bundesländern, der von der WJJF eine Graduierung zum Großmeister erhalten hat. Im Rahmen des Seminars gab es auch einige Grußworte.
TSB-Präsident Peter Jursch würdigte die kontinuierlich erfolgreiche Leistung des Yawara-Dojos, das als Abteilung zum TSB gehört. Dabei ging er nicht zuletzt auf das große Engagement des Gmünder „Jiu-Jitsu-Vaters“ und Sportpioniers Sepp Oberhollenzer (6. Dan und Präsident der WJJF Deutschland) ein. Dessen Aufbauleistung werde, wie man bei dieser Jubiläumsveranstaltung ja bestens sehen könne, vom derzeitigen Abteilungsleiter Helmut Schauaus (3. Dan) bestens weitergeführt. 1. Bürgermeister Dr. Joachim Bläse ging in seinem Grußwort auf den erzieherischen Wert des Kampfsports ein. Gerade in der heutigen Zeit komme der Gewaltprävention eine große Bedeutung zu, so dass man den Gmünder Kampfsportlern sehr dankbar für ihre engagierte Jugendarbeit sei.
Im Anschluss an den sportlichen Teil begaben sich die Sportler in die benachbarte Schwerzerhalle, wo mit einen Festbüffet sowie Unterhaltungs- und Tanzmusik alles für den geselligen Teil der Jubiläumsveranstaltung vorbereitet war. Nach wenigen und bewusst sehr kurz gehaltenen Reden wurde der Party-Hit „Wir feiern die ganze Nacht“ zum Abendprogramm. Zwischen den Tanzrunden machte der Igginger Alleinunterhalter Otto Müller seine Späße, stellte aus Veranstaltungsteilnehmern aus dem Stegreif eine kostümierte Band zusammen und ließ einige auf dem Alphorn erste Blasversuche unternehmen.

Aus:remszeitung.de

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