"Karate ist der Motor für unser weiteres Leben"

„Heute wird in Hemhofen Sportgeschichte geschrieben!“ Mit diesen Worten eröffnete der Regierungspräsident von Mittelfranken, Thomas Bauer, in Vertretung des Schirmherren und Ministerpräsidenten Horst Seehofer am Samstag die ersten internationalen Karate-Meisterschaften für Menschen mit Behinderung.In der Hemhofener Mehrzweckhalle verfolgten unter anderem der IOC-Vizepräsident Thomas Bach und der Landrat Eberhard Irlinger wie die Handicap-Sportler gegeneinander und gegen ihr eigenes Lampenfieber kämpften. Den Anfang machte der Rollstuhlfahrer Thomas Winkler (Chiemgauer Kampfsport- und Karate-Schule Traunreut), der erst seit wenigen Monaten den Sport betreibt. Bei seinem Wettkampf-Debüt besiegte er die Aufregung und präsentierte seine Kata – einen genau festgelegten Karate-Bewegungsablauf – fehlerfrei. „Karate baut mich in jeder Hinsicht auf!“, sagte er danach. Sein persönliches Schicksal, eine Lähmung durch ein eingeatmetes Virus, versucht er, mit diesem Sport zu bewältigen.

Erstaunliche Fortschritte beim Training

Winklers Vereinskollegin Verena Stecha zeigte trotz ihrer spastischen Lähmungen eine außergewöhnliche Leistung. Ihren größten sportlichen Erfolg hat sie schon verbucht: Durch das Training lernte sie, erstmals ihre linke Hand einzusetzen.

Auch Jean-Bernard Pons und Veronique Grandjean aus Montpellier/Frankreich, die durch einen Unfall an den Rollstuhl gefesselt wurden, betonen: „Karate ist der Motor für unser weiteres Leben.“ Pons belegte in der Wertung „Rollkarate“ den dritten und Grandjean den zweiten Platz. Erster in dieser Kategorie wurde souverän Fatah Sebbak, der ebenfalls aus Montpellier angereist ist. Sebbak betreibt seit über 20 Jahren Karate – erst ohne Behinderung, nach einem Unfall auch im Rollstuhl. Er versucht, anderen Behinderten Mut für den Sport zu machen: „Karate hat mein Leben gerettet.“

In der Kategorie der Sehbehinderten belegte Emine Atav den dritten und Gerald Haberhauer (beide CKKS Traunreut) den zweiten Platz. Szenenapplaus während seiner Kata „Unsu“ verdiente sich Raymond Morcomb. Der Australier verfügt über geringes Sehvermögen, er kann Licht und Schatten erkennen. „Im Alter von acht Jahren habe ich mit Karate begonnen. Der Sport gibt mir Kraft und Freude. Ich möchte viele Menschen ermutigen, sich durch Karate stark zu machen“, sagte Morcomb.

Hemhofener auf Platz 2

Bei den Taubstummen überzeugten die Kämpfer durch ihr kraftvolles, energisches Auftreten. Zwischen den beiden Athleten aus Palästina, Anas Sharqawl (3.) und Mansour Baraa (1.) platzierte sich Dr. Christoph Rieck aus Hemhofen auf dem zweiten Platz.

Rolf Transier (Frankenthal) trat als einziger Kämpfer mit einer Amputation an. Seit 37 Jahren betreibt er Karate. Doch vor 15 Jahren nahm sein Leben eine dramatische Wende. Bei einem Freundschaftsdienst am Bau ergriff ihn der Bagger, und er verlor seinen rechten Fuß und Teile des Unterschenkels. „Mein Glück war, dass ich schon weit gekommen war in meinem Sport. Das Training gibt mir unheimlich viel Kraft, nach vorne zu schauen. Mit meinem Einsatz möchte ich zeigen, dass es sich lohnt, Sport zu machen und dass alles möglich ist!“

Freude, die ansteckt

Starke Leistungen zeigten auch die geistig behinderten Herren, bei denen Marvin Nöltge aus Emmendingen gewann. Nöltge ist seit zehn Jahren dabei: „Vor dem Wettkampf gehe ich drei Mal pro Woche in das Training. Selbstverteidigung macht mich stark,“ sagt der zweimalige deutsche Meister. Über seinen Sieg in Hemhofen freute sich der 23-Jährige hinreißend ansteckend. Die Damen Andrea Nowak (1.) und Kirstin Lederer (2., beide CKKS Traunreut) standen den Herren in dieser Sparte nicht nach und zeigten ebenfalls starkes Karate.

Einzelstarter in ihrer Disziplin waren Achim Haubennestel vom KC Vaihingen (psychisch behindert), Jasmin Glock aus Wolfskehlen (Cerebralparese/Stehende Klasse). Sven Baum und Daniel Langer (beide KV Erfurt) zählten zur Kategorie Cerebralpares/Sitzende Klasse.

Ehrennadel für die Gastgeber

Die von Integrationsbotschafterin Ebru Shikh Ahmad und ihrem Mann Ismael Salah bestens organisierte Veranstaltung brachte den besonderen Geist des Karate perfekt zur Geltung: Fairplay, Respekt und gegenseitige Wertschätzung war für jeden deutlich zu spüren. Zum Dank überreichte der Präsident des Bayerischen Karate-Bundes, Wolfgang Weigert, den beiden Gastgebern die silberne Ehrennadel. Auch Herbert Holzinger, Vizepräsident des Bayerischen Behindertensportverbandes, sowie Antonio Espinos, Präsident der World Karate Federation (WKF), lobten die beiden. Beeindruckend war auch das Rahmenprogramm: Fabienne und „Momo“ (Mohammed) vom Bundeskader ließen dem Publikum mit einer Schauvorführung den Atem stocken. Für einen gelungenen Auftakt sorgte der Musiker Efe mit türkischer Folklore moderner Art.
Aus:infranken.de

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