Kendo und die Kraft der Rituale

Mit lautem Kriegsgeschrei stürmen die Kämpfer aufeinander zu. Die Schwerter knallen gegeneinander. Was sich zuerst wie ein brutaler Schwertkampf anhört, ist das normale Kendo-Training des Vereins Kokugikan in Kreuzberg. Kendo ist eine japanische Kampfsportart, bei der mit Bambusschwertern gekämpft wird. Sie liegt im Trend.
Zu Zeiten der Samurai wurde Kendo, ebenso wie Judo und andere Kampfkünste, dafür eingesetzt, den Feind zu töten. Im modernen Japan wurde Kendo dann als Sportart eingeführt, aber nach dem Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern für ein paar Jahre verboten. Heutzutage ist Kendo eine der beliebtesten Sportarten in Japan, auch im Ausland steigt die Zahl der Anhänger.
Zum Thema Kendo habe ich den Trainer vom Verein Kokugikan, Mitsuyoshi Aoki, befragt. Was möchten die Kämpfer beim Kendo erreichen, wollte ich von ihm wissen. „Das individuelle Ziel von Kendo ist für jeden anders, aber ein sehr wichtiges gemeinsames Ziel ist die Stärkung des Charakters“, sagt Aoki. Die Philosophie des Kampfes beim Kendo sei anders als die bei Judo oder Aikido. Beim Kendo geht es laut Trainer Aoki darum, „den Gegner zunächst mit geistiger Energie zu besiegen und dann zuzuschlagen.“ Das heißt, dass man als erstes versucht, den Gegner mit den eigenen Gedanken zu besiegen, indem man ihn dazu bringt, zu glauben, dass er unterlegen ist. Erst dann schlägt man mit dem Schwert zu.
Wie beliebt ist Kendo eigentlich in Berlin und Deutschland? „Kendo wird in Deutschland immer beliebter. Es geht nicht um Kraft, sondern darum, die Gedanken des Gegners zu lesen. Dadurch lässt es sich in jedem Alter und von Frauen und Männern ausüben. Judo hat sich, seitdem es als olympische Disziplin eingeführt wurde, zu einer fast reinen Kampfsportart wie Ringen entwickelt. Dadurch sind die japanischen Rituale wie Begrüßungen, Höflichkeit und der Respekt vor dem Gegner nicht mehr vorrangig. Personen, die mit einer japanischen Kampfsportart auch die japanische Seele kennenlernen möchten, fühlen sich zunehmend von Kendo und ähnlichen Kampfkünsten angezogen“, meint der Trainer zu diesem Trend.
Auch Sportler aus Deutschland sind bei internationalen Kendo-Meisterschaften schon erfolgreich vertreten. Aokis Tochter Susanne zum Beispiel ist 2008 Europameisterin geworden. Bei der Kendo-Weltmeisterschaft 2006 war sie in der Nationalmanschaft und schaffte es auf den dritten Platz. Von fünf Nationalmannschaftsmitgliedern waren immerhin drei aus Berlin.
Am besten ist es übrigens, mit dem Kendo schon recht früh zu beginnen: zwischen dem fünften und 13. Lebensjahr. Rituale wie etwa Begrüßungen, Höflichkeit und Respekt sind beim Kendo nach Darstellungen von Mitsuyoshi Aoki „das Wichtigste“. Sie seien Ausdruck des Respekts für den Gegner und die Mitmenschen.
Yakumo Tomeda, Jg. 8, Berlin International School, Schmargendorf

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