Mit schwarzem Gürtel in der Chefetage. Teil 1

Führungskräfte sehen sich immer öfter als Krieger: gegen Widerstände am Markt kämpfen, die Phalanx der Wettbewerber durchbrechen, Kritiker abwehren. Zahlreiche Coachings und Weiterbildungen bieten das passende Rüstzeug – asiatischen Kampfsport und wie man ihn in den Berufsalltag überträgt. von Sabine Meinert „Du musst entschlossener nach vorn gehen und Du musst Dich besser positionieren, um die Bedrohung erfolgreich abzuwehren – vielleicht auch bei verbalen Auseinandersetzungen?“ Management-Coach Alfred Gehlen stößt wie nebenbei eine wichtige Frage an. Der 57-Jährige steht im roten Kampfanzug in seinem Studio und führt einer Seminarteilnehmerin wiederholt eine Bewegung vor, die einen deutlich größeren, kräftigeren Angreifer in Schach halten soll. Nur wenig Kraft und ein bisschen Technik helfen der jungen Frau, sich auf der Matte durchzusetzen. Eine Erfahrung, die hängenbleibt und Basis wird für die Diskussion im anschließenden theoretischen Seminarteil.
Taekwondo, Aikido oder Karate – Fernöstliches steht derzeit in der Manager-Fortbildung hoch im Kurs. Was Hunderte Jahre zuvor asiatischen Kriegern half zu siegen, soll nun auch Führungskräften hierzulande das berufliche Überleben sichern. Neben Stressab- und Muskelaufbau versprechen Seminaranbieter, Personal Coaches und Weiterbildungsinstitute zahlreiche Impulse und neue Verhaltensmuster für den Job. Die Experten wollen taktische und strategische Finessen, stärkere Fokussierung, mehr Vertrauen in die eigene Intuition vermitteln, sie stellen Sozial- und Führungskompetenzen oder Kooperationsmanagement in den Vordergrund. Und führen es oft gleich „handgreiflich“ vor.
Transmitter für Philosophisches
Gehlen zum Beispiel betreibt seit fast 40 Jahren verschiedene Kampfsportarten. Dabei lernte er, dass sich viele Techniken aus dem Sport auf andere Ebenen übertragen lassen, dass die Kampfkunst als Transmitter für die Philosophie hinter den Bewegungsabfolgen genutzt werden kann. Und, dass körperlich Erlebtes sich besser als der schönste Leitsatz im Gehirn verankert.
Soft Skills wie Mut, Disziplin, Durchsetzungsvermögen können Manager auf jeden Fall aus der Kampfkunst für sich ableiten, sagt der Kampfsport-Experte. Gute Vorbereitung und Zeitmanagement seien ebenfalls wichtige Punkte. „Eine Reaktion zum richtigen Zeitpunkt, die auf einer festen Basis steht, ist im Kampfsport wie im Beruf Gold wert.“ Der Sport-Begeisterte hat aus Bestandteilen verschiedener asiatischer Sportarten eine eigene Kampfkunst geformt – Gelong Dao, das ist die chinesische Übersetzung für „Gehlens Weg“. Für seine Seminar-Teilnehmer hat er ein ganzes System daraus entwickelt.“Jede Lösung braucht sieben Schritte – im Sport wie im Job. Es reicht nicht zu überlegen, wie man ein Problem angehen will. Für den Erfolg muss man zunächst die Situation analysieren, später Schwachpunkte nutzen, sich auch selbst bewegen und vor allem konsequent handeln. Ich lehre auch, die Energie des Gegners für die eigenen Vorhaben zu nutzen. Oder ein Ablenkungsmanöver zu starten, bevor die eigentliche Lösung präsentiert wird. Wer aber Teile des Prinzips vergisst, wird nicht zum Ziel kommen“, sagt Gehlen.
Erkenntnis und effektive Technik
Weitere Parallelen – wie das konkrete und klare Formulieren von Zielen und Aufgaben oder, dass das Denken der Bewegung vorangeht – erkennen die Führungskräfte in seinen Seminaren nach kurzer Zeit von allein. Das „Do“, sprich: der Weg – in diesem Falle zur Erkenntnis – ist auch im Seminar das Ziel. Gleichzeitig geht es um effektive Techniken, die zum übertragbaren Handwerkszeug werden, denn immer häufiger gilt: Eine zweite Chance, auf einen Angriff zu reagieren, gibt es auch in den Führungsetagen nicht.
Gehlen trainiert seit Jahren Manager aus dem Volkswagen-Konzern. „Führung bedeutet Orientierung geben. Führungskräfte müssen zielorientiert, entscheidungskräftig, aber auch gelassen und selbstbewusst agieren können“, heißt es zu dem Angebot in der hausinternen Seminarausschreibung. Auch Siemens, TUI oder Daimler laden den agilen Coach immer wieder ein, um der Routine entgegenzutreten und die Kompetenzen der Teamleiter und Chefs zu erweitern.
Aus: ftd.de

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