Systema, die traditionelle russische Kampfkunst

Aus allen Teilen der Welt kommen verschiedene Kampfstile nach Europa, selbst Russland macht von sich reden. Systema, eine auf Prinzipien basierende, flexible Kampfkunst.
Wer kennt sie nicht, die zahllosen fernöstlichen Kampfstile, wie Judo, Karate, Aikido, Tae Kwon Do und viele andere. Auch Südamerika kann hier mit dem brasilianischen Caopeira und die Philippinen mit der Waffenkunst Kali mithalten. Doch bislang weitgehend unbekannt ist Systema, eine Kampfkunst aus Russland, die im Gegensatz zu vielen anderen Stilen noch immer aktuell und flexibel ist. Ihren Ursprung hat sie vermutlich im 10. Jahrhundert in der russischen Reiterei, den Kosaken. Der Grundgedanke war zu dieser Zeit einen anpassungsfähigen, leicht erlernbaren und in jeder Situation einsetzbaren Kampfstil zu entwickeln. Über die Zeit hat vor allem das russische Militär Systema maßgeblich geprägt, doch der Grundgedanke ist stets erhalten geblieben.

Systema, ein System für die Entwicklung von Körper und Geist
Systema wird aus dem russischen tatsächlich einfach nur mit „System“ übersetzt, denn gewöhnlich kommt im Anschluss wessen System es denn nun ist. Genau dieser Punkt zeigt schon ein wichtiges Charakteristikum dieser Kampfkunst. Sie basiert auf Prinzipien und Konzepten und nicht, wie bei nahezu allen fernöstlichen Stilen, auf konkreten Techniken und starren Ausführungen. Dies hat wiederum zur Folge, dass jeder Trainer das Systema im Allgemeinen nach seinen persönlichen Schwerpunkten gestalten kann. So legt manch einer größeren Wert auf gezielte Schläge, ein anderer dagegen auf Körpermechanik und wieder ein anderer auf Würfe und Hebel. Doch all diese Richtungen lassen sich unter dem Begriff Systema einen, denn ihnen ist das Wesentliche gemeinsam. Sie alle verfolgen bestimmte Prinzipien ohne sich an feste Bewegungsabläufe zu klammern, dabei sind die drei wichtigsten Faktoren: Atmung, Form, Zustand.

Die drei Prinzipien: richtige Atmung, richtige Form, richtiger Zustand
Die Atmung: Jeder Mensch hat schon einmal die Erfahrung gemacht, dass er sich in einer unangenehmen Situation befindet, nervös und aufgeregt ist und sich daraufhin seine Atmung beschleunigt und flacher wird. Dieses Phänomen ist ganz natürlich, sorgt jedoch dafür, dass man verkrampft und im schlimmsten Falle handlungsunfähig ist. Kontrollierte, bewusst regulierte Atmung ist der Schlüssel zu Ruhe und Leistungsfähigkeit. Richtig zu atmen ist von entscheidender Bedeutung und wie man richtig nach Systema atmet wird im Folgenden beschrieben.

Konstant und ununterbrochen, in Belastungssituationen kann dieser Punkt entscheidend dazu beitragen, ob man die Kontrolle über sich und die Situation behält, denn den Atemrhythmus zu unterbrechen bedeutet auch den Bewegungs- und Denkrhythmus zu unterbrechen, was in heiklen Situationen fatale Folgen haben kann
Durch die Nase ein und den Mund aus, denn die Nase filtert und reguliert die Luft viel effizienter und diffiziler, als es der Mund je könnte, außerdem führt das Einatmen durch den Mund zu einem schnelleren Verlust der eigenen Kraft und Ausdauer
Den Umständen angepasst, unter hoher körperlicher Belastung bedeutet das natürlich eine schnellere und intensivere Atmung, unter hoher psychischer Belastung kommt es ebenfalls zu einer beschleunigten Atmung, genau hier kann man jedoch bewusst den Atem und damit auch die Psyche beruhigen und damit das Gleichgewicht wieder herstellen

Die Form: Hier geht es um richtige Köperhaltung und Entspannung. Die richtige Körperhaltung ist auch in jeder Alltagssituation von Bedeutung, denn nur mit einer stabilen und natürlichen Haltung lassen sich Bewegungen auch unter Anstrengung effizient ausführen. Entspannung und Kampf dagegen mag im ersten Augenblick ungewöhnlich klingen, doch wenn man das Beispiel der Katze vor Augen hat wird es klarer. Eine Katze bewegt sich gewöhnlich geschmeidig und entspannt, sie lässt sich kraulen und putzt ihr Fell. Doch sobald sie sich bedroht sieht oder die Gelegenheit auf eine lebende Mahlzeit, ist sie in der Lage blitzschnell und präzise zu reagieren. Mit anderen Worten, sie ist zwar allzeit bereit ohne jedoch im Mindesten verkrampft und angespannt zu sein. Sie verbraucht somit nicht überflüssig ihre Energieressourcen und kann sie im entscheidenden Moment sinnvoll einsetzen. Die folgenden Richtlinien helfen das Prinzip der Form zu erfüllen:

Gerader Rücken in natürlicher Haltung
Kleine Schritte um das Gleichgewicht zu wahren und beweglicher zu bleiben
Hüfte und Schulter parallel zum Boden um Gang und Rücken zu stabilisieren
Ununterbrochene Bewegung, denn Unterbrechungen und Ungleichmäßigkeiten destabilisieren Psyche und Körper
Bewegungen mit minimalem Krafteinsatz, um auch unter erschwerten Bedingungen kämpfen zu können
Der Zustand: Hier ist die geistige und psychische Verfassung gemeint. Sowohl in alltäglichen, als auch in extremen Situationen ist die psychische Stärke von großer Wichtigkeit, um die richtigen Entscheidungen treffen und sie dann auch zielstrebig in die Tat umsetzen zu können. Druck, Stress und Angst sind Faktoren, die in wichtigen Momenten zu verheerenden Entscheidungen führen können. Bei Hochleistungssportlern, wie auch bei Menschen, die schwierige Krisen meistern müssen, ist das Wichtigste einen kühlen Kopf zu bewahren und damit den richtigen Zustand zu haben. Form und Atmung sind notwendige Voraussetzungen, die ihrerseits den Zustand formen, doch erst der richtige Zustand führt zu einer Weiterentwicklung und Verbesserung seiner eigenen Fähigkeiten auf jeder Ebene.

Hannah Baumbach
Aus:Kampfsport.suite101.de

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