Was ist ein glückliches Leben?

Von Christian Thiel Dass Geld nicht glücklich macht, ist ein Gemeinplatz und den meisten Menschen „irgendwie“ klar. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen sogar, dass Geld ausgesprochen unglücklich machen kann – sowohl der Besitz von Geld, vor allem aber das Streben danach.Für den gelernten Arzt, Kabarettisten und Buchautor („Glück kommt selten allein“, „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“) Eckart von Hirschhausen ist die Sache mit dem Glück ganz einfach: „Geld erzeugt psychologisch nie das Gefühl von Zufriedenheit. Je materialistischer Menschen eingestellt sind, desto unzufriedener sind sie auch. Glück ist in meinen Augen das Ergebnis eines sinnvollen Lebens.“ Dazu gehört für Hirschhausen zunächst einmal, zu tun, was einem entspricht. „Finde heraus, wo du in deinem Element bist, und lass das andere sein.“ Diesen Weg über eine Arbeit, die ihn befriedigt, ist auch Eckhardt von Hirschhausen selber gegangen. Zunächst war das Kabarett nur sein Hobby. Am Ende hat er sich dafür entschieden, dass er dort einfach glücklicher ist als als Arzt. Damals fragten ihn viele Kollegen zweifelnd: „Ja, kann man davon denn leben?“ Er war überzeugt davon, dass es geht. Schaut man bei dem bekanntesten Glücksforscher unserer Zeit, dem Psychologieprofessor Mihaly Csikszentmihalyi, nach dem Zusammenhang zwischen Geld und Glück, so findet man zunächst einmal – nichts. In seinen Forschungen finden sich keine Belege, die einen Zusammenhang zwischen Geld und Glück nahelegen. Glücklich ist Csikszentmihalyi zufolge derjenige, der bereit und in der Lage ist, sich für ein lohnendes Ziel auch anzustrengen. Beinahe alles, was Menschen ausgesprochen glücklich macht, muss geübt werden – wie zum Beispiel das Bergsteigen oder Klavierspielen. Oder es bedarf zumindest eines gewissen Maßes an Zuwendung, Aufmerksamkeit und Pflege – wie Freundschaften oder Beziehungen. Dass Aktivsein glücklich macht, wusste schon der griechische Philosoph Epikur. Csikszentmihalyi hat es in seinen Studien eindrucksvoll belegt. Passiver Konsum geht demnach ausgesprochen selten mit starken Glücksgefühlen einher. Sich für ein Ziel anzustrengen und es schließlich auch zu erreichen, dagegen schon. Ganz ohne Zweifel setzen viele Menschen ihre Prioritäten aber anders. Sie suchen sich einen neuen Job, der mehr Geld einbringt, aber weniger Spaß macht. Sie freuen sich auf das neue Designersofa und den Breitbildfernseher. Warum machen sie das? Warum verlieren Menschen nur so leicht die Orientierung, wenn es um das Geld geht? Die Gesellschaft hat ihre Eigeninteressen. „Kaufe viel und arbeite viel“ – dieses Lebensmotto nutzt einer Marktwirtschaft und hält sie am Laufen. Ob es dem Einzelnen und seinem individuellen Lebensglück zuträglich ist, ist unter Wissenschaftern nicht einmal umstritten. Es ist es nicht. Moderne Industriegesellschaften haben eine ungeahnte Warenfülle produziert und geben jedem die Möglichkeit, sich über den Besitz zu definieren. Das Begehren und Besitzen von Gegenständen spielt in unserer Gesellschaft eine ausgesprochen große Rolle für das Selbstbild eines Menschen. Eigentum und Besitz sind eine Möglichkeit, sich Selbstwertgefühl regelrecht zu erkaufen. Doch damit ist auch ein möglicher Nachteil von Besitz klar: Wer sein Selbstwertgefühl aus dem Erwerben und Besitzen von Sachen bezieht, vernachlässigt andere Lebensbereiche wie zum Beispiel seine sozialen Beziehungen. Und er wird bequem. Kaufen ist ausgesprochen leicht und stellt an die sozialen Kompetenzen nur geringe Anforderungen. Die Gefühle anderer Menschen dagegen sind kompliziert. Mancher verlässt sich da lieber auf die Gefühlswelten, die Waren ihm bieten. Und zahlt dafür einen hohen Preis. Wird er schwer krank oder arbeitslos, fällt sein Selbstwertgefühl ins Bodenlose. Auch der britische Wirtschaftswissenschafter und Buchautor Richard Layard („Die glückliche Gesellschaft“) ist ein scharfer Kritiker des üblichen Wohlstandsgedankens. „Auffällig ist, dass sich das Realeinkommen und der Lebensstandard in den USA seit den 50er Jahren verdoppelt haben. Der Anteil der Menschen, die sich als glücklich ansehen, wuchs dagegen überhaupt nicht. Er blieb schlicht konstant.“ Wie kann das sein? Psychologen haben dafür eine eigene Theorie entwickelt. Demnach macht der Erwerb von Dingen Menschen zwar – kurzfristig – glücklich, nicht aber ihr Besitz. Warum? Der Mensch gewöhnt sich ausgesprochen schnell an das, was er hat. Außerdem wachsen schnell neue Ansprüche. Das gilt besonders, wenn wir uns mit anderen Menschen vergleichen. Materielle Wünsche leben vom Sich-Vergleichen. Der Nachbar hat ein neues Auto, der Schwager macht eine teure Urlaubsreise. Leider aber findet sich immer wieder jemand, der noch mehr hat, wenn wir ein materielles Ziel erreicht haben – und schon vergleichen wir uns wieder und schneiden wieder schlecht ab. Und dann ist da noch das Phänomen der Gewöhnung. Denn mit Geld verhält es sich nach Layards Ansicht ein wenig wie mit Drogen: „In den USA sind Menschen regelmäßig gefragt worden, wie hoch das Einkommen sein muss, damit eine vierköpfige Familie klarkommt. Das ‚benötigte‘ Einkommen wird immer höher, je mehr die Leute verdienen. Kein Wunder, dass die Menschen nicht glücklicher werden.“ Forscher gehen davon aus, dass der materielle Zugewinn eines Menschen – ab einem gewissen Wohlstandsniveau – gar nicht zufrieden machen kann. Dies hat mit einer seltsamen menschlichen Eigenschaft zu tun. Materieller Zugewinn macht Menschen nämlich nur für kurze Zeit zufriedener. Sie erfreuen sich an dem erworbenen Gut oder dem höheren Einkommen. Danach pendelt sich ihre Zufriedenheit aber schnell wieder auf dem Ausgangsniveau ein. Schlimmer noch: Jetzt wird der erworbene Reichtum zur Sorgenquelle. Die Angst vor dem Verlust des Wohlstands setzt ein. Und diese Angst fällt leider sogar größer aus als die zuvor erlebte Zufriedenheit mit dem Zugewinn. Auf diese Weise vermag mehr Besitz unglücklich zu machen – wenn wir uns denn alleine auf den Besitz als Glücksbringer verlassen. In vielen Studien über besonders glückliche Gesellschaften landen eher arme Länder, in denen allerdings auch keine extreme, lebensbedrohliche Armut an der Tagesordnung ist, auf den vorderen Plätzen. Die glücklichsten Menschen der Welt leben, folgt man dem Happy Planet Index, den die New Economics Foundation veröffentlicht, zurzeit in Costa Rica. Westliche Industrieländer kommen bei der Untersuchung ausgesprochen schlecht weg. Platz 72 für Österreich. Platz 150 für die USA. Was können wir von den glücklichsten Menschen der Welt lernen? Was macht die Menschen dort so glücklich? Gute soziale Beziehungen! Freundschaften also, Partnerschaften und ein guter Kontakt zu den Kindern. Zum gleichen Ergebnis kommt auch der Glücksökonom Richard Layard. An erster Stelle der glückstiftenden Momente stehen für ihn Beziehungen zu anderen Menschen. Dann kommt das Gefühl, etwas Nützliches zu tun, nicht aber damit auch besonders viel Geld zu verdienen. Vielleicht hat der Kabarettist Eckhart von Hirschhausen mit seinem Weg ja einfach nur Glück gehabt. Seine Entscheidung gegen das gesicherte Einkommen eines Arztes und für den Beruf, der ihm Spaß macht, hat sich am Ende auch finanziell bezahlt gemacht. Seine Bücher haben Millionenauflagen erreicht und ihm – Ironie des Schicksals – auch sehr viel Geld eingebracht. Und damit er glücklich bleibt, hat er einen erheblichen Teil seines Geldes, immerhin 250.000 Euro, bei einer Spendengala für „Ein Herz für Kinder“ verschenkt. Kann Geld also doch glücklich machen? Ja, es kann. Wenn man es ausgibt und mit anderen teilt. „Glück ist etwas unglaublich Schönes“, sagt Hirschhausen. „Es breitet sich aus. Es ist kein Nullsummenspiel. Damit ich glücklich bin, muss also niemand anderer unglücklich sein.“ Aus:Wienerzeitung.at

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