1 Ahnen

Mein Leben verdanke ich eigentlich ein paar englischen Sanitätssoldaten die meinen Vater 1916 nach einer Schlacht, wobei er verschüttet wurde, halb leblos retteten und wieder ausgruben, hinter die Front brachten, wo die Militärärzte sich um ihn bemühten und ihn wieder gesund machten. Für meinen Vater war damit der Krieg beendet und er wurde nach England gebracht, wo er bis 1920 in Gefangenschaft verbrachte. Später erzählte er manche Geschichten über diese Zeit, die er immer gut in Erinnerung behielt. Damals behandelte man noch die Kriegsgefangenen als Menschen, was man im nächsten grossen Krieg nicht mehr überall tat.


Mein Vater wurde am 19. September 1894 in Nieheim Kreis Höxter als sechstes Kind des Ehepaars Johann R. und Elisabeth S.geboren. Nieheim war zu der Zeit ein Dorf von vielleicht 900 Seelen, im östlichen Westfalen im Teuteburger Wald gelegen, sehr malerisch von einer Stadtmauer umgeben. Opa Johann war Maurer von Beruf und hatte ein paar hektar Land von seinem Vater geerbt, und das elterliche Haus. Sowohl das Haus als auch das Land bekam immer der älteste Sohn, das war Gesetz in Deutschland. Und so bekam der älteste Bruder meines Vaters, Johann auch wieder Beides vererbt.
Der zweitälteste Bruder Josef verheiratete sich ins Nachbardorf, weder mein Vater noch die anderen Geschwister hatten nie Kontakt mit diesem Bruder, so dass ich nicht viel über ihn erfahren habe. Er hatte wohl auch so an die 8 Kinder, meine Vetter, habe aber nie einen kennengelernt.
Johann war der älteste Sohn, aber nicht das erste Kind. Es war ein Mädchen, meine Tante Maria. Sie ging schon früh aus dem elterlichen Haus und verdingte sich als Hausmädchen nach Bochum. Um gleich bei dieser Tante zu bleiben, sie verheiratete sich schon vor dem ersten Weltkrieg in Bochum, bekam 2 Mädchen Mia und Heti. die aber ihren Vater nie kennelernten, denn er fiel gleich zu Anfang des Krieges. Tante Maria hat nie wieder geheiratet und hat ihre beiden Töchter selber grossgezogen. Leider passiert der Ältesten dasselbe Los, auch sie hatte 2 Töchter und der Mann fiel wieder am Anfang des 2. Weltkrieges. Johann dagegen hatte 3 Söhne, wovon nur der Jüngste Johann aus dem 2. Weltkrieg zurückkam und wieder Land und Haus erbte.

Nachdem also Maria nach Bochum gegangen war, ging dann auch der Vierte, nämlich Onkel Heinrich nach Bochum. In Nieheim war keine Arbeit zu bekommen, dagegen war im Ruhrgebiet sehr viel industrieller Aufschwung, sodass u.a. sehr viele Polen ins Ruhrgebiet zum Arbeiten kamen und blieben, daher die vielen polnischen Namen im Westen Deutschlands. Onkel Heinrich war ein sehr sympatischer ruhiger Mann an dem ich mich gerne erinnere. Er hatte auch wieder 2 Mädchen, wovon eins am Wasserkopf starb. Heinrich war der einzige Nichtmaurer, er hatte eine sehr gute Stelle beim Bochumer Verein.Das fünfte Kind meiner Grosseltern war Onkel Anton. Von diesem Onkel kann ich auch nicht viel berichten. Auch er war Maurer und fiel im 2. Weltkrieg in Polen bei der Organisation Todt. Er und Tante Maria von der Brunnsteinstr. hatten keine Kinder. Nach meinem Vater wurde noch ein Mädchen geboren, nämlich Marichen, kurz Mine. genannt. Sie heiratete einen Geschäftsmann in Nieheim, der das einzige Konfektionsgeschäft im Dorf betrieb. Sie hatte 4 Kinder, der älteste übernahm das Geschäft, heute ein gutes Haus am Platz. Eine Tochter ist Besitzerin des Berghofs, ein Hotel und Restaurantbetrieb in Nieheim. Ein anderer Sohn ist Kürschner geworden und hat ein gutes Geschäft in Bottrop.

Meine Mutter Paula B. wurde als siebtes Kind von 11 Geschwistern geboren.Opa Wilhelm B. war ein grosser Mann, verschmitzt, grossmütig, aber eisern, in gewissem Sinne sehr intelligent. Er war nur ein einfacher Arbeiter, hatte sich aber im Laufe des Lebens viel Erfahrung gesammelt. Sowohl seine Schwiegersöhne als Töchter mussten sich ständig seinen Examen unterwerfen. Ausserdem war er ein sehr religiöser Mensch, als einer seiner Söhne mit einer evangelischen Frau ankam, durft er nicht mehr sein Haus betreten. Heute würde man sein Verhalten als engstirnig abstempeln, aber man muss die Zeit berücksichtigen zu der er gelebt hat. Ich komme auf das Thema Religion später noch zurück. Übrigens war er der einzige Teil meiner Grosseltern den ich kennengelernt habe. Von der Grossmutter K. weiss ich so wenig wie von den Grosseltern meines Vaters.

Ehepaar B. machte die Kinder im 2 Jahre Takt, sodass ich vom Geburtsjahr meiner Mutter ausgehend sagen kann dass meine Tante Elisabeth wohl so etwa 1887 geboren wurde. Sie heiratete einen Wilhelm B., starb aber bei der Geburt ihres einzigen Sohnen Paul. Onkel B. heiratete dann zum zweiten Mal, Tante Elise, die aus der Eifel stammte, war vor ihrer Ehe lange Zeit als Hausdame in französischen Haushalten tätig, so dass sie sehr gut französisch sprach und sich dadurch sehr über uns stehend betrachtete. Vetter Paul studierte Theologie, wurde aber im Krieg 1939 gleich eingezogen und kam nicht mehr zurück. Er war, wie man heute sagen würde ein Kriegsdienstverweigerer und wurde in ein Strafbataillon versetzt. Damit war sein Schicksal besiegelt, denn diese Sträflinge wurden immer ganz vorne an der Front eingesetzt. Auch sein Vater, Onkel Wilhelm starb eines unnatürlichen Todes, er fiel in den glühenden Schmelzofen der Gusstahlfabrik des Bochumer Vereins.Die beiden nächsten Kinder der Grosseltern waren Johann(1889) und Josef(1891) beide gefallen.

1893 wurde Onkel Heinrich, kurz Onkel Heini genannt geboren. Er war das Ebenbild seinens Vaters im Aussehen, im Charakter war er ein sehr gutmütiger Mann. Ich habe ihn gern gemocht. Auch er hatte nur einen Sohn und auch dieser Vetter blieb im Krieg. Willy(1895) war ein Aussenseiter in jeder Beziehung. Er ging schon früh aus dem Haus, heiratete eine evangelische Frau ohne vorher mit seinem Vater zu reden und brach damit die Beziehungen zu seinem Vater ab. Willy hatte es von sämtlichen Brüdern am Weitesten gebracht, er hatte eine Baggerfabrik in Hagen. Was ihn aber am meisten von seiner Familie entfernte, waren seine politischen Ideen.

Waehrend sämtliche R. oder B. mehr oder weniger sozialistisch angehaucht waren, war Onkel Willy der einzige Nationalsozialist in der ganzen Sippschaft. Busenfreund von Dr. G., verkehrte er in den braunen Kreisen als einer der Ihren. Er ist im Krieg an Zucker gestorben, wodurch ihm evtl. Schlimmereres erspart blieb. Er hatte eine Tochter Ute.

1897 wurde Klara geboren, kurz Tante Klärchen genannt. Sie heiratete einen Hans F. und bekam drei Kinder: Klärchen, Willy und Hans L. Onkel Hans wurde im Krieg von einer Lore überfahren. Loren sind kleine Eisenbahnwagen, womit man in den Fabriken Waren befördert, oder Kohle in den Bergwerken.

1899 wurde Mutter geboren, und zwei Jahre später Theo. Er hatte Schwierigkeiten mit seinem Vater als er ein Mädchen aus Thüringen brachte die nicht nur Dialekt sprach, sondern gar evangelisch war. Er durfte nicht mehr nach Hause kommen. Der Ehe entspragen 2 Kinder, Alfons und Ilse. Alfons fiel im Krieg und Onkel Theo kam im Bochumer Untersuchungsgefägnis beim Bombenhagel um. Er hatte zuviel gegen die Nazis geredet, das wurde ihm zum Verhängnis, da konnte auch Bruder Willy nichts ändern, der sich fuer seinen Bruder eingesetzt hatte.

1903 wurde Tante Else geboren. Sie blieb bis zum Tod bei ihrem Vater, sozusagen als Haushälterin. Sie heiratete im Jahre darauf eine Anton R. und bekam trotz ihres Alters noch 4 Kinder.

Maria wurde 1905 geboren. Sie ging als 20 Jährige ins Kloster. Zuletzt kam 1907 der Ludwig zur Welt. Er ging 1929 nach Kanada, später nach Amerika, heiratete und hatte 3 Kinder, wovon eins vom Auto überfahren wurde. Soweit über die Familien meiner Eltern. Ich komme auf die Meisten später zurück.

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