Sie tragen uns rund 120 000 Kilometer durchs Leben. Das ist so weit wie fünfmal von Berlin nach Honolulu – und zurück. Und wir? Sorgen oft dafür, dass diese Strecke zu einer beschwerlichen Stolperstrecke wird. Wir stecken unsere Füße in Schuhe, die nicht passen, die ihnen wehtun, die sie sogar verletzen. Etwa 20 Millionen Deutsche haben ernsthafte Fußprobleme.
In diesem Sommer sind Keilabsätze in Mode. Sind sie besser für die Füße als die dünnen High Heels?
Dr. Hubert Klauser, Orthopäde, Leiter des Berliner Hand- und Fußzentrums: „Der Fuß hat auf Keilabsätzen eine größere Auflagefläche, und da das Gewicht etwas besser verteilt ist als beim High Heel, lässt es sich darauf sicher etwas besser laufen. Aber gesünder sind Keilabsätze nicht. In unseren Fußsohlen stecken Tausende von Nervenenden und Rezeptoren. Sie senden Signale an das Gehirn, ob zum Beispiel ein Boden uneben ist. Steht die Fußsohle zu steil, können die Rezeptoren nicht mehr richtig arbeiten, die Stolper- und Sturz-Gefahr steigt. Dieser Effekt ist bei Keilabsätzen wahrscheinlich größer als bei Stöckelschuhen.“
Was genau ist das Problem mit High Heels?
Dr. Klauser: „Bereits ab drei bis vier Zentimetern belastet es den Fuß schon. Mit jedem Zentimeter Absatz wird mehr Körpergewicht auf den Vorderfuß verlagert, auch auf die Zehen, die ja zusätzlich die Haltearbeit des Körpers verrichten müssen. Bei einem Fünf-Zentimeter-Absatz muss der Vorfuß 57 Prozent des Gewichts aushalten, bei 11 Zentimetern sind es schon knapp 90 Prozent.“
Was passiert dann in den Füßen?
Dr. Klauser: „Die Zehen werden gequetscht, Sprunggelenk- und Zehengrundgelenke überstreckt, der Fuß verliert an Stabilität beim Gehen. Durch die dauerhaft gestreckte Haltung wird die Achillessehne verkürzt, die Wadenmuskulatur verspannt sich, der Druck aufs Kniegelenk nimmt zu, was nach jahrelangem Stöckeln zu Arthrose führen kann. Und da der Körper Balance halten muss und das Rückgrat ins Hohlkreuz zwingt, führt das auf Dauer zu Rückenschmerzen.“
Macht das Laufen in zu engen oder zu hohen Schuhen jeden Fuß kaputt?
Dr. Klauser: „Wenn man sein Leben lang in solchen Schuhen läuft, ja. Kommt eine genetische Veranlagung dazu, wird der Fuß noch schneller krank. Das ist bei der Entstehung eines Hammerzehs, also einer schmerzhaften Fehlstellung des kleines Zehs, der Fall oder bei einem Hallux valgus, bei dem der große Zeh im Gelenk nach außen weicht und sich dann vorn der zweiten Zehe zuneigt.“
Schaden hohe Absätze nur den Füßen?
Dr. Hans Seiter, Gefäßchirurg und Venenspezialist aus Stuttgart: „Nein, sie schaden auch den Venen. Um das Blut vom tiefsten Punkt des Körpers, den Füßen, zurück zum Herzen zu transportieren, sind die Fußmuskel-Pumpe und die Sprunggelenk-Pumpe nötig. Je starrer die Füße in High Heels oder Keilabsatzschuhen stecken, desto weniger können sich die Gelenke bewegen und die Pump-Systeme aktivieren. Die Folgen sind geschwollene Knöchel und Waden aufgrund des Blutstaus.“
Dann also lieber Flip-Flops?
Dr. Jürgen Walpert, Orthopäde und leitender Arzt der Fuß- und Gelenkchirurgie Klinik Fleetinsel in Hamburg: „Für kürzere Strecken, etwa vom Hotel zum Strand, sind Flip-Flops mit einer dicken stabilen Sohle in Ordnung. Bei längerem Laufen krallen sich jedoch die Zehen um den Steg, und die Muskeln im vorderen Fuß verkrampfen, da der Halt fehlt. Das gleiche gilt für Croces, eine Art Kunststoff-Clogs.“
Steht man denn auf Ballerinas auf der sicheren Seite?
Dr. Walpert: „Ja, wenn die Schuhe einen Absatz von rund einem Zentimeter haben und gut passen. Dann wird der Fuß einigermaßen gut geführt und der Vorfuß nicht überfordert.“
Gibt es eigentlich den idealen Schuh?
Dr. Walpert: „Ein klassischer Halbschuh zum Schnüren kommt dem Ideal am nächsten. In so einem Schuh haben die Zehen genug Platz, die Schnürung hält die Partie um den Mittelfuß herum stabil, und die Fersenkappe sorgt dafür, dass der Fuß gut im Schuh sitzt.“
Wie werden die häufigsten Fuß-Leiden, etwa ein Hammerzeh, behandelt?
Dr. Walpert: „Bei leichteren Fällen versucht man es erst konservativ mit Physiotherapie, um die Fußmuskulatur zu stärken, sowie individuell hergestellten Schuheinlagen. Eine Schiene, die nachts getragen werden muss, bringt übrigens keine Verbesserung. Bei schwereren Fällen muss meist operiert werden, um die krumme Zehe zu begradigen.“
Und was wird beim Hallux valgus getan?
Dr. Walpert: „Wenn Physiotherapie und individuelle Schuheinlagen vom Schuhtechniker keine Linderung bringen und die Schmerzen zu stark werden, hilft nur noch ein Eingriff. Eine gängige OP-Methode ist die Chevron-Osteotomie. Dabei wird der Mittelfußknochen V-förmig durchtrennt und so fixiert, dass der große Zeh zurück in die alte Stellung rücken kann.“
Was ist ein Morton-Neurom, unter dem manche leiden?
Dr. Walpert: „Dabei kommt es aufgrund von dauerhaftem Druck, etwa durch das Tragen hoher Schuhe, zu einer Schwellung der Nerven an den kleinen Zehen. Die Schmerzen können bis in die Zehen ausstrahlen. Hier helfen flache Schuhe sowie Kortisonspritzen.“
Da ohne Schuhe nun mal nichts läuft – wie können wir auf Nummer sicher gehen?
Dr. Walpert: „Wechseln Sie Schuhe von flach bis hoch sooft es geht, idealerweise mehrmals am Tag. Und laufen Sie zu Hause barfuß, das trainiert Fuß- und Wadenmuskeln am besten. Ideal ist Laufen am Strand. Fußgymnastik kann vorbeugen, zum Beispiel ein Handtuch mit den Zehen aufheben oder morgens beim Zähneputzen auf einem Fuß stehen und dabei die Augen schließen. Fußbäder entspannen die Muskeln gut, Massagen, etwa mit einem Igelball, regen die Durchblutung an.“
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