Die Debatte, ob im Aikido mit Waffen trainiert werden soll, besteht seit langem und wir haben im Aikido-Journal schon oft den Anhängern beider Seiten ein Forum [zur Darstellung der Positionen] geboten. Ich habe diese Diskussionen als Beobachter und Teilnehmer verfolgt und möchte nun einige Punkte ins Gespräch bringen, die meines Wissens bisher unerwähnt blieben.
Herauszufinden wie Morihei Ueshiba zu diesem Thema stand, ist im meinen Augen ein vernünftiger Anfang. Ohne in langatmige historische Begutachtungen zu verfallen möchte ich einige wenige einfache Fakten darlegen. In den letzten zehn Jahren haben wir den gewichtigen technischen Einfluss dokumentiert, den das Daito-Ryu Aikijujutsu auf das Aikido hatte. Ueshibas Lehrer, Sokaku Takeda, war ein Meister der Schwertkunst und Waffenexperte, der viele seiner Lehrjahre mit dem Studium verschiedener Waffen verbracht hat. Takeda entschied sich lediglich aus Respekt vor dem zu jenen Zeiten gültigen Verbots Schwerter zu tragen für die Jujutsu-Techniken als Hauptbestandteil seines Kampfkunst-Unterrichts. Takedas Bujutsu war seiner Natur nach umfassend und kann in keiner Weise auf die Jujutsu-Techniken beschränkt werden. Die Techniken des Daito-Ryu sind auf den Prinzipien des Schwertes aufgebaut.Eine weitere Tatsache: Von 1942 bis zum Ende der 1950er Jahre verbrachte Morihei Ueshiba viel Zeit in seinem Dojo in Iwama, wo er mit Aiki-Ken und Aiki-Jo experimentierte. Einer seiner wichtigsten Schüler zu dieser Zeit, Morihiro Saito, konnte diesen Prozess aus erster Hand beobachten und das Wissen um die Bemühungen des Gründers lebt in Saito-Senseis Aikido fort.
Manche der Kritik, die diesen Beobachtungen entgegensteht, klingt etwa wie folgendermaßen: “O-Sensei hat auf dem Gebiet der Waffen nur herumprobiert und diese Disziplin des Trainings niemals abgeschlossen, so wie dies beim Taijutsu (waffenlose Techniken) geschah.” Das Problem mit dieser Ansicht ist, dass die betreffende Periode beinahe 20 Jahre umfasste. Selbstverständlich wäre dies für einen fähigen Kampfkünstler wie Ueshiba ausreichend Zeit, um derartiges technisches Wissen in sein Training zu integrieren. Es muss ebenfalls bedacht werden, dass der Gründer schon 1937 in seinem Kobukan-Dojo begann, sich mit der auf Waffen basierenden klassischen Kunst des Kashima-Shinto-Ryu auseinander zu setzen. Sein Blutschwur erscheint sogar in den Registrierungsunterlagen dieser Schule.
Weiterhin sind viele der gängigen technischen Begriffe im Aikido dem Kenjutsu entlehnt. Wörter wie Tegatana, Shomenuchi, Yokomenuchi und Shihonage reflektieren deutlich ein zugrundeliegendes Wissen über die Schwertkunst. Auf gleiche Weise basiert eine für Aikido typische Technik, Iriminage, auf dem Vorpreschen und Eintreten wie beim Schwertkampf. Das ganze Konzept des Irimi oder Eintretens ist von Schwerttechniken entlehnt.
Ich möchte dies klarstellen: Das Studium und das Üben mit Waffen war über eine lange Zeit eine Passion des Gründers. Wer Gegenteiliges behauptet, ist entweder ignorant gegenüber der Geschichte des Aikido oder politisch motiviert.
Es ist eine historische Tatsache, dass der Gründer das Üben mit Ken und Jo im Aikikai Hombu-Dojo verbot, AUSSER für Saito-Senseis Unterricht. Ich würde sagen, das ist sehr erhellend! Ist es da noch überraschend, dass das Hombu-Dojo heutzutage öffentlich feststellt – ich beziehe mich hier auf veröffentlichte Kommentare von Dojo-Cho Moriteru Ueshiba und Masatake Fujita (8. Dan) -, dass Waffentraining kein Bestandteil von Aikido ist?
Die Antwort auf die Frage nun, ob Aikido Waffentraining beinhalten soll oder nicht, hängt von der Definition der konsultierten Autorität ab. Es gibt kein universell akzeptiertes Übereinkommen darüber, was Aikido eigentlich ist, weder technisch, noch philosophisch. Für den durchschnittlichen Aikidoka ist der eigene Lehrer die höchste Autorität hinsichtlich der Fragen über die Kunst. Selbst eine Organisation kann ihre Ansichten über die Trainingsinhalte nicht den individuellen Dojos auferlegen, solange sie nicht ein strenges Regularium vorschreibt und durchsetzt. Dies zu versuchen hemmt das Wachstum und den Einfluss dieser Gruppe ernstlich, wie man oftmals beobachten konnte.
Zur Illustration sei gesagt, dass wohlbekannte Lehrer innerhalb des Aikikai – dessen offizielle Position, wie gesagt, die Ausklammerung des Waffentrainings ist -, wie Shoji Nishio, Nobuyoshi Tamura, Kazuo Chiba und Mitsunari Kanai, Iaido in ihren Lehrplan aufnahmen. Nie wurde versucht sie daran zu hindern. Von meiner Warte aus scheint die ganze Debatte nur Wortklauberei zu sein. Es wird niemals eine befriedigende Antwort auf die Frage nach ‘Aikido und Waffen’ geben, die jedermann zufriedenstellt.
All die Streitereien über die Vorzüge und Nachteile eines solchen Trainings werden an dieser Tatsache nichts ändern. Diejenigen, deren Lehrer Waffentraining befürworten oder die selbst zu dem Schluss kommen, dass Waffen einen wichtigen Zusatz zum Taijutsu-Training darstellen, werden ihren Überzeugungen auch weiterhin anhängen. Diejenigen, die überzeugt wurden, dass das Üben mit Waffen schädlich oder unangebracht ist, um im Taijutsu fortzuschreiten, werden Waffen weiterhin ablehnen und Vorurteile pflegen, die ihren Glauben rechtfertigen.
Ist das letzte Wort zu diesem Thema gesprochen? Ich bezweifle es, aber ich hoffe der Debatte einige neue Perspektiven hinzugefügt zu haben.
von Stanley Pranin
Aikido Journal #108 (1996)
Übersetzt von Stefan Schröder
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