Ein Ball, dem die Luft nie ausgeht

Niederbergkirchen – Es gibt nicht mehr allzu viele Meister des Aikido, die diese sehr junge Kampfkunst noch von deren Begründer Morihei Ueshiba lernen durften. Einer ist Nobuyuki Watanabe Sensei.Seit 24 Jahren Stammgast in Birach: Nobuyuki Watanabe Sensei ist ein Vertreter der ersten Generation, die noch vom Begründer des Aikido, Morihei Ueshiba, diese Kampfkunst vermittelt bekam. Auch mit seinen 80 Jahren ist der Sensei kein bisschen müde, begeistert und fasziniert in Niederbergkirchen seine internationalen Seminarteilnehmer mit Witz, Charme und Können.

Der 80-Jährige Japaner unterrichtet an der Schule seines Lehrmeisters in Tokio, Japan; ist aber auch ein gern gesehener Gast in Niederbergkirchen. In Birach leitet der Sensei (8. Dan) seit 24 Jahren Seminare.

Es ist mucksmäuschenstill im Dojo des Seminarhauses Birach bei Niederbergkirchen. Einige der mehr als 30 Kursteilnehmer, angereist aus Frankreich, Schweden, Norwegen, Spanien, Russland und auch Japan, haben die Augen geschlossen und meditieren. Andere lockern ihre Muskeln und machen sich dezent warm. Draußen schlägt die kleine Hofuhr zur vollen Stunde, kurz darauf betritt Nobuyuki Watanabe den umgebauten Stadel. Vielmehr: Er erscheint. Anmütig. Trotz seiner 80 Jahre. Was er in den folgenden eineinhalb Stunden vermittelt ist seine Interpretation der Kampfkunst Aikido, die er selbst seit 1958 betreibt: Die Kombination des gesundheitlichen Aspekts mit der Ästhetik der Kampfkunst, die es erst seit etwa 1930 gibt.

Einen sehr großen Stellenwert räumt der Meister dabei der Atmung ein, anschaulich wird das bei seiner nun folgenden Demonstration des „Kokyu“ (Atmung), mit dessen Hilfe er Gegner ohne Berührung wirft. Ein skurriles Bild, das Zweifel und Erstaunen gleichermaßen hervorruft, doch dient es in diesem Fall eher der Demonstration des Prinzips „Aiki“ (harmonische Kraft) als der Selbstverteidigung.

Stets hat der Meister ein Lächeln auf den Lippen, wenn er gegen einen oder gar zwei Kontrahenten antritt und wertvolle Tipps weiter gibt. Diese Herzlichkeit und Offenheit des mittlerweile 80-jährigen Meisters sind es auch, die Professor Martin Gruber, Besitzer des Dojos in Birach, von Anfang an in den Bann geschlagen hat. Der Funke sei damals, 1984, als Gruber mit einer Gruppe Aikidokas nach Japan gereist war, um im Honbu Dojo bei den direkten Nachfolgern des Aikidogründers Morihei Ueshiba in Tokio zu trainieren, gleich übergesprungen. Seit dieser Zeit bietet der Sensei (Lehrer, Meister), der auch den „Weg des japanisches Schwertziehens“ (Iaido) lehrt, auch Lehrgänge in Birach an. „Und die leitet er ganz unideologisch, er macht keinen auf Guru“, bescheinigt ihm Professor Gruber, der selbst Aikido als Hauptfach an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin gibt. Nobuyuki Watanabe sei „niemand, der bei der Übungsstunde jemanden runter drückt“, sagt Gruber, „er verlängert und ist sehr auf Strecken bedacht. Denn er ist der Meinung: Ein Baum, der aufhört sich zu strecken oder sich auszudehnen, der stirbt.“

Atmen, Ausdehnen und gesund sein. „Haus der Gesundheit“, so lautet auch die Übersetzung des 2005 gegründeten Vereins „Kenbukai“, der in Birach beheimatet ist. Der Schwerpunkt auf die Gesundheit ist auch während des Seminars durch und durch zu spüren. Was sicherlich daran liegt, dass der Meister, auch in der Ostheopathie ein Meister seines Fachs ist, seine Kenntnisse als „Knochenrenker“ auf seine Schüler überträgt. Und dies stets mit Humor und Heiterkeit, wie sich auch in Birach zeigt.

Mit spitzem Humor, so präsentiert sich der Meister anschließend beim gemeinsamen grünen Tee, während er genüsslich an seiner selbstgedrehten Zigarette zieht. Was könne er schon mit seinen 80 Jahren erzählen, gibt er sich bescheiden. Dann aber schildert er, der er in der ersten Generation vom Begründer des Aikido Morihei Ueshiba gelernt hatte, dass es Intention dieser Kampfkunst gewesen sei, Friede in die Welt zubringen. Seine persönliche Absicht sei es, den Menschen gesünder zu machen. Dafür gebe es aber kein Pauschal-Konzept, sagt der Ostheopath, er gehe auf jeden Schüler individuell ein.

„Ordentlich stehen und ordentlich atmen“, das sei seine Philosophie, sein Weg zur Gesundheit, die er sich so für die Gesellschaft wünsche in der heute so hektischen Zeit. „Ein Mensch sollte wie ein runder Ball sein, mit genügend Luft. Wird er angetippt, wird man sehen, wohin er rollt“, metaphert er. Solange er angetippt werde, mache er weiter, kommt auch in Zukunft gerne nach Birach, um Lehrgänge zu geben. Er werde nicht kürzer treten, denn das Alter spiele für ihn keine Rolle. „Ein Leben ohne Aikido? Nein. Aikido ist mein Leben.“
Aus:Innsalzach24.de

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