Bald finden die Gedenkfeiern anläßlich des Todestages des Gründers des Aikido Morihei Ueshiba statt. Er trat am 26. April 1969 im Hombu-Dojo in Tokyo in den Himmel ein.
Vorige Woche war ich in meine Heimatstadt Akita in Nordjapan zurückgekehrt. Es war das letzte Mal, dass ich den Gründer sah. Ich war achtzehn Jahre alt. Die Nachricht von seinem Tod erreichte mich in Akita und ich trat sofort meine Rückreise nach Tokyo an. Zu der Zeit war selbst eine einfache Zugfahrkarte für mich unerschwinglich. Meine Familie war sehr glücklich über meine Rückkehr gewesen, deswegen konnte ich sie nicht bitten mir das Geld für meine sofortige Abreise zu geben. Mit dem sturen Mut der Jugend habe ich mich einfach ohne Fahrkarte in den Nachtzug nach Tokyo geschlichen.
Damals reiste man in Japan längere Strecken meist mit dem Zug. Die nicht reservierten Waggons waren immer überfüllt mit Leuten, Kisten, Koffern und Taschen. Es war in diesem Chaos einfach dem Schaffner auszuweichen, als er kam um die Fahrkarten zu kontrollieren. Was das Verlassen der Bahnstation betraf, unter den Sitzen konnte man, wenn man sorgfältig suchte, meist ein verlorenes Ticket finden. Man muss bedenken, dass Technik und Sicherheitsmaßnahmen vor dreißig Jahren bei weitem noch nicht so weit waren wie heute. Auf diese Weise kehrte ich also nach Tokio zurück, um an der ersten Gedenkfeier für den Gründer teilzunehmen.
Ich habe schon häufig von Dojos gehört, die diesen Jahrestag mit Gedächtnisseminaren feiern. Für mich aber ist das ein Tag des stillen Gebets und der Reflektion. Nun, da der 33. Todestag des Gründers naht, möchte ich mit Ihnen einige meiner persönlichen Erinnerungen teilen, aus dem letzten Jahr meines Lebens mit dem Gründer. Meine Schwester hat in all den Jahren meine Notizbücher aufbewahrt, und so kann ich genau meine Tgesabläufe nachvollziehen. Ich habe sogar aufgeschrieben, was der Gründer typischerweise aß, am Ende des Artikels möchte ich darauf noch einmal zurückkommen.
1968, im Alter von 85 Jahren, schlief der Gründer im neuen Anbau der Wohnräume im Iwama-Dojo. Seine Frau Hatsu schlief im Nebenraum. Auf der einen Seite neben dem Hauptzimmer war ein winziger Raum in dem das Dienstmädchen Kikuno schlief. Der gegenüberliegende Raum, in dem ich geschlafen hatte, existiert nicht mehr. Er ist abgerissen worden, nachdem er kaum mehr zu reparieren war. Außer uns vieren lebte zu der Zeit niemand in unserem Quartier. Anders als Iwama heute, gab es nur wenige Gasshukus (Trainingslager), die das Dojo mit der Geschäftigkeit vieler munterer Schüler aus der ganzen Welt erfüllen.Saito-Shihan lebte mit seiner Familie im Nachbarhaus. Zu jener Zeit besaß seine Familie kein Restaurant oder andere Geschäfte, bis auf einen Familienbetrieb einer Wäscherei. Damals waren Rohre meist außerhalb des Hauses angebracht und draußen stand auch das Toilettenhäuschen. An der Außenseite dieses Häuschens war auch ein Makiwara (ein umwickeltes Schlagholz, das Karateka für Schlagübungen verwenden) befestigt. Während eines Seminars in Denver erzählte uns Saito-Shihan, dass er in seiner Jugend Karate geübt hatte. Als ich daraufhin fragte, wozu das Makiwara diente, antwortete er, dass es Bestandteil seines Trainingsplanes war, zehnmal vor und zehnmal nach der Benutzung des Häuschens gegen das Makiwara zu schlagen.
1968 war das Gelände zwischen dem Bahnhof von Iwama und dem Dojo mit Kastanien und Bambusdickichten bewaldet. Im April blühten die Kastanien und ihr starker Geruch hing in der Luft. Bambus mit bis zu vier Zoll Durchmesser spross überall, manchmal inmitten des mit Schmutz übersäten Weges. Es gab dort auch einheimische Pfirsichbäume, deren Blüten zum Duft des Frühlings beitrugen. Heute stehen dort Häuser mit Geschäften und keine Kastanien und kein Bambus mehr.Wenn der Gründer in Iwama war, unterrichtete er die Abendklassen im Dojo. Der Abendunterricht begann um 7 Uhr, gleich nach seinem Abendessen, das er um 5 Uhr begann. Der Gründer badete üblicherweise nicht abends, statt dessen war das Bad meist seine erste Aktivität am Morgen. Wegen seines Alters war seine Diät eher schlicht. Er aß immer mit seiner Frau Hatsu. Die beiden genossen das gemeinsame Mahl und der Gründer war oft fröhlich und zu Scherzen aufgelegt. Manchmal legte er mit seinem Stäbchen einen Bissen seines Essens auf den Teller seiner Frau: “Omahan tabe yoshi” (“Hier, iss Du das.”) sagte er dann neckend in seinem heimatlichen Kishu-Dialekt. Sie nahm das Stück dann spielerisch auf und reichte es zurück auf seinen Teller: “Nein, Du isst das.” Es war eine süßes Geplänkel zwischen den beiden. Auch wenn die Diät des Gründers schlicht war, so genoss er doch auch hin und wieder ein “modernes” Gericht, wie Curry-Reis. Der Gründer kommentierte dies mit der Begründung, dass Curry ein gutes, grobes Essen wäre, dass den Bauch in gesunder Bewegung hält.
Der Gründer und seine Frau aßen ihre Mahlzeiten in einem Raum direkt hinter dem Dojo-Altar. Der Raum war spärlich eingerichtet und hatte einen Holzboden. Ein kleiner Tisch, etwa drei mal zwei Fuß mit einklappbaren, zehn Zoll hohen Beinen, wurde für die Mahlzeit aufgestellt. Wir vier aßen gemeinsam. Die Wohnräume lagen dicht beieinander. Oft konnte ich mich beim Essen nicht recht entspannen mit dem Gründer so nahe bei mir. Kikuno und ich saßen immer formell mit geradem Rücken und zeigten so unser bestes Benehmen.
In einer Ecke des kleinen Raumes war ein winziges Spülbecken, etwa zwei mal einen Fuß groß. Das Becken hatte einen Wasserhahn aus dem nur kaltes Wasser kam; das einzige heiße Wasser bei uns gab es zum Essen und mußte von Hand bereitet werden. Der Gründer wusch sich in diesem Becken auch die Hände vor dem Essen. Er wusch sich hier auch das Gesicht und putzte seine Zähne. Die Unterbringung in Iwama war schlicht, das einzige Becken mit nur kalten Wasser wurde zum Spülen und Waschen verwendet. Neben dem Becken stand ein kleiner Propangaskocher, mit dem die einfachen Mahlzeiten bereitet wurden.
von Gaku Homma
Published Online
Übersetzt von Stefan Schröder
Aus: Aikido Journal
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