Ursula Herrmann leitet zusammen mit einer Kollegin das Konstanzer Seniorenzentrum. Die 56-Jährige sieht Vorzüge im Alter, tut aber einiges, um sich fit zu halten.
Ursula Herrmann ist eine von zwei Leiterinnen des Konstanzer Seniorenzentrums. Im Interview schildert sie den Umgang mit älteren Menschen und spricht ganz offen über ihr Alter und das Älterwerden. Das Wichtigste sei, neugierig zu bleiben
Frau Herrmann, wie fühlen Sie sich?
Ich fühle mich gut. Ich denke, ich gehe mit meinem Alter.
Fühlt es sich wie 56 an?
Ja und Nein. Im Vergleich zu den Jüngeren vielleicht schon, im Vergleich zu den Älteren wiederum nicht. Man blickt zwar in den Spiegel und sagt: ‚Huch, siehst ganz schön alt aus.‘ In meinen Bewegungen, die ich mehr von innen spüre, unterscheide ich mich aber nicht so sehr von der Person, die ich vor 20 Jahren war.
Sie tun ja auch etwas dafür: Sie lehren den Kampfsport Aikido.
Damit habe ich mit Anfang 20 begonnen. Damals hatte es überhaupt keinen Gesundheitsaspekt. Ich hatte einfach Spaß daran. Alles, was ich mache, tue ich weniger wegen des Älterwerdens, sondern weil ich mich gerne bewege.
Aber es ist ein positiver Effekt, sie bleiben dadurch fit.
Wahrscheinlich schon. Aber ob ich dadurch jugendlicher bin als andere, die mehr als ich auf der Couch sitzen, weiß ich nicht.
Wenn Sie sich mit Gleichaltrigen vergleichen: Merken Sie einen Unterschied?
Am ehesten merke ich es, wie ich mich in der Gesellschaft bewege. Da beobachte ich Unterschiede. Manche verhalten sich gesetzter oder sind weniger neugierig. Aber das hat eher viel mit Persönlichkeit zu tun. Das Wichtigste, um gut älter zu werden, ist die Neugier: immer wieder etwas auszuprobieren, offen für andere Menschen zu sein. Da begegne ich aber durchaus vielen in meiner Generation, die ähnlich denken wie ich.
Sie halten sich körperlich fit: Machen Sie sich schon Gedanken, wie Sie auch geistig jung bleiben können?
Nicht wirklich. Ich mache gerne Sudoku, das aber weniger, um geistig fit zu bleiben. Es ist eine gute Konzentrationsübung. Da ich ein eher unruhiger Mensch bin, suche ich nach Wegen zur Ausgeglichenheit. Deshalb meditiere ich seit Jahren und auch das Aikido hilft mir dabei.
Sie haben täglich mit vielen älteren Menschen zu tun. Was schätzen Sie daran?
Es sind so viele unterschiedliche Lebensläufe und Erfahrungen, die die Arbeit so spannend machen.
Es ist aber wahrscheinlich auch nicht immer ganz einfach mit älteren Menschen.
Die Mehrzahl der Menschen strahlt für mich etwas Positives aus. Es gibt natürlich auch die etwas Verbissenen, Unzufriedenen, bei denen das Glas immer halb leer ist. Zu ihnen finde ich weniger Zugang. Aber auf ihre Art meistern sie das Älterwerden ja auch.
Anders gesagt: Gibt es Wesenszüge von älteren Menschen, die sie später selbst nicht annehmen wollten?
Natürlich gibt es das: zum Beispiel, schwerfällig zu werden, im Geist und im Körper. Aber ich denke, dagegen kann man einiges tun. Mir widerstrebt sehr die Geisteshaltung manch älterer Menschen, wenn sie über die Jugend schlecht reden, ohne wirklichen Kontakt zu haben, dass diese ihnen dankbar sein müssen, dass man sehr viel Rücksicht auf die Senioren zu nehmen hat, dass sie bestimmen wollen, was alle anderen zu tun haben.
Ist das aber nicht ein Stück weit normal? In jeder Generation haben die Älteren über die Jüngeren so geredet.
Das gab es sicherlich schon immer. Deshalb ist es für die Jugend wichtig, einen Platz zu haben, an dem sie sich austoben kann und keine Rücksicht nehmen muss. Aber es ist nicht mehr das Gleichgewicht wie früher. Als ich jung war, gab es viel mehr junge Leute und viel weniger alte Menschen als heute. Daraus ergibt sich die Gefahr, es als selbstverständlich anzusehen, dass den Älteren die Welt gehört: weil sie so viele sind.
Zwischen uns liegt eine Generation. Hatten Sie es als Mittdreißigerin leichter, oder hatte jede Generation ihr Päckchen zu tragen?
Das Letzte stimmt mit Sicherheit. Ich habe nicht das Gefühl, in einer schweren Zeit gelebt zu haben. Wir hatten eher das Glück, dass es viel mehr Stellen gab. Ich konnte mir aussuchen, wo ich arbeiten wollte. Und: Wir waren eben mehr junge Menschen.
Sie hatten beruflich früher viel mit jüngeren Menschen zu tun, jetzt mit älteren: Was fehlt den älteren in Konstanz?
In Konstanz? Ich denke, solch eine Einrichtung wie das Seniorenzentrum, das die Stadt für die Älteren führt, findet man selten. Der Kultur- und Bildungsbereich ist gut gesättigt. Es gibt sehr viele Angebote für Erwachsene jeden Alters. Und es gibt eine intakte Natur. In anderen Bereichen ist es sicherlich an der Zeit, vorausschauend zu planen und zu verändern: viel selbstverständlicher auf Barrierefreiheit zu achten, kreative Ideen für Wohnmöglichkeiten im Alter zu entwickeln, um nur einiges zu nennen.
Das heißt: Sie haben es generell mit vielen glücklichen älteren Menschen zu tun.
In der Tat.
Was fehlt den jüngeren Menschen?
Ich wünsche ihnen, dass man ihnen zuhört und sie einbindet in die Politik der Stadt – genauso selbstverständlich und respektvoll wie Senioren.
Gibt es genügend Raum, an dem Jüngere und Ältere zusammenkommen können?
Wir bieten im Seniorenzentrum schon seit langem solche Treffs an. Dieser Kontakt ist für alle Seiten befruchtend. Das gelingt gut bei Kindern und Älteren. Jugendlichen muss man diesbezüglich ihre Freiräume lassen, sie müssen selbst entscheiden dürfen, wann sie Lust auf den Austausch haben.
Werden Sie bis 65 arbeiten?
Ich muss. Das beängstigt mich aber nicht. Meine verbleibenden Berufsjahre liegen ohnehin schon im einstelligen Bereich.
Freuen Sie sich darauf, bis die Null im Rentenbescheid steht?
Ich bin eher immer wieder erstaunt, wie schnell es geht. Natürlich gibt es Zeiten, in denen ich das Älterwerden merke. Aber im Prinzip finde ich das nicht dramatisch.
Und wie lange wollen Sie noch Kampfsport unterrichten?
So lange es geht.
Fragen: Philipp Zieger
Aus:Suedkurier.de
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