Big in Japan: Sky Tree löst Tokyo Tower ab

Bei seinem Bau 1956 war der Tokyo Tower der höchste Fernsehturm der Welt. Nun wächst in Tokio ein neuer Sendeturm, der diesen Titel wieder beanspruchen kann. Links der 333 Meter hohe Tokyo Tower, links das Konzeptbild des fast doppelt so hohen Sky Tree.
Bild: Keystone

Der Tokyo Tower ist das höchste Gebäude Japans, das lernen die Kinder im Kindergarten. Er sei soooo hoch, weiss eine Sechsjährige, dass es nur elf Tokyo Tower braucht, um die Höhe des Fuji zu erreichen, des Heiligen Bergs der Japaner. Und ihr grosser Bruder erklärt, der Tokyo Tower sehe genauso aus wie der Eiffelturm in Paris, nur besser. Weil man für ihn weniger Stahl brauchte als für das Pariser Vorbild. Als der Tokyo Tower 1958 eingeweiht wurde, war er mit seinen 333 Metern der höchste Fernsehturm der Welt. Nur das Empire State Building in New York war höher.

Sieben Meter pro Woche

In wenigen Tagen wird dieses in Tokio sorgsam gepflegte Schulwissen veralten. Ohnehin ist der Tokyo Tower weltweit nur noch Nummer 21. Dieser Tage löst ihn der Tokyo Sky Tree im Stadtteil Sumida ab. Und er wächst rasant weiter. Pro Woche legt der künftig höchste Fernsehturm der Welt etwa 7 Meter zu. Anfang März war er 304 Meter hoch, diese Woche erreichte er 311 Meter. Wenn er Ende 2011 fertig sein wird, soll der Sky Tree 634 Meter hoch sein und Tokios Fernsehturm wieder zur weltweiten Nummer eins machen.

Notwendig wurde der neue Sendeturm, weil die Signale vom Tokyo Tower im Wald der Hochhäuser einiger Stadtteile hängenbleiben und das den Empfang beeinträchtigt. Mit dem Umstieg vom analogen aufs digitale Fernsehen muss die Empfangsqualität verbessert werden. Der Sky Tree soll den ganzen Grossraum Tokio bedienen. Vor allem aber soll der Turm, nicht nur als der höchste, sondern mit seinen technischen Superlativen und einer futuristischen Beleuchtung den Tokiotern etwas Stolz zurückgeben. Mit nur drei Fachwerk-Stützen werde er, so die Eigenwerbung, auch zum elegantesten Fernsehturm der Welt. Und natürlich soll er eine multimediale Touristenattraktion werden. Per Webcam kann man schon heute den Bau verfolgen.

Gebaut wird der Sky Tree neben der Metro-Haltestelle Oshiage im Stadtviertel Sumida im äussersten Nordosten von Tokio. Sumida war vor dem grossen Erdbeben 1923 eines der Zentren der japanischen Hauptstadt, dicht besiedelt und arm. Auf dem gegenüberliegenden Ufer des Sumida-Flusses befindet sich der 1300 Jahre alte Asakusa-Tempel, und nördlich davon war einst das Rotlichtviertel des imperialen Japan, Yoshiwara. Fast 40’000 der etwa 105’000 Erdbeben-Toten von 1923 lebten hier. Auch die Feuerbomben der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg trafen den Stadtteil besonders hart. In der Nachkriegszeit blieb Sumida daher eher schläfrig, weitab von den neuen Zentren. Das soll sich mit der neuen Attraktion ändern. Die Bauherren versprechen einen Stil, der Alt und Neu vereinige und das Viertel prägen werde. Dazu wollen sie die Fäden der Geschichte aufnehmen. Am nahen Kanal pflanzen sie dazu Kirschbäume.

Von Pagoden inspiriert

Ein schweres Erdbeben, wie es für Tokio vorausgesagt wird, fürchten sie nicht. Ein System, das auf die Konstruktion alter Pagoden zurückgeht, soll den Turm vor Erdbeben und Stürmen schützen. Es fängt Vibrationen in der Turmstruktur auf.

Zum höchsten Gebäude der Welt schafft es der Sky Tree freilich nicht, das bleibt das Burj Khalifa in Dubai. Aber das war der Tokyo Tower auch nie. Und schon seit 1989 redet man in Tokio von «Sky City 1000», einem 1000 Meter hohen Wolkenkratzer für 35’000 Bewohner und Büros für über 100’000 Leute. Aber noch weiss man nicht einmal, wo in Tokio er gebaut werden soll.

Von Christoph Neidhart
Aus:Bazonline.ch

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