Genforscher optimieren die bunte Vielfalt der Schnittblumen. Ihr Ziel: robuste Ziergewächse mit neuen Farben und Düften. Mit der blauen Rose präsentieren sie nun ihr erstes Meisterstück.Sie ist das Symbol für das Unerreichbare. In China steht sie für die reine Liebe. Auch Rudyard Kipling reimte ihr zu Ehren: Im Gedicht „Blue Roses“ schickt die Geliebte ihren Verehrer auf Schnittblumensuche.
„Lief die Welt durch bis ans End, wo ich solche Blumen fänd“, dichtete der englische Schriftsteller. Die Angebetete war längst verblichen, als der Verehrer von seiner Blumen-Odyssee zurückkehrte – mit leeren Händen. Kein Wunder: Bis vor kurzem galt die Schöpfung der blauen Rose als unmöglich.
Nun jedoch dürfen alle Rosenkavaliere hoffen: Der japanische Konzern Suntory – bislang vor allem als Produzent des Japan-Whiskeys Yamazaki aufgefallen – will im kommenden Jahr die erste blaue Rose auf den Markt bringen. Zwar lässt sich darüber streiten, wie blau die gentechnisch veränderte Blume wirklich schimmert – als erster großer Wurf eines neuen Zweigs der Blumenzucht darf sie dennoch gelten.
Denn weltweit basteln Gentechniker an den Schnittblumen von morgen. Rosen und Nelken erblühen in Farben, die ihnen die Natur versagte. Petunien trotzen Minustemperaturen und Parasiten. Selbst im Labor kreierte, nie dagewesene Duftkompositionen könnten Blumenliebhaber in einigen Jahren betören.
„Die Zierpflanzenindustrie lebt von Neuheiten – deshalb haben gentechnisch veränderte Blumen gute Chancen auf dem Markt“, sagt Stephen Chandler von der australischen Firma Florigene. Das Unternehmen mit Sitz bei Melbourne gehört zu Suntory und hat die blaue Rose entwickelt. Über 15 Jahre werkelten die Forscher an dem mystischen Gewächs. Ein dorniger Weg – doch der Aufwand könnte sich lohnen: Rund 40 Milliarden Dollar werden weltweit jährlich mit Schnittblumen umgesetzt. Allein der Markt für Rosen wird auf 10 Milliarden Dollar geschätzt. Vor allem zu besonderen Anlässen wie dem Valentinstag vorige Woche brummt das Geschäft.
Außergewöhnliche Blumen faszinieren die Menschen seit je. Schon im 17. Jahrhundert verplemperte so mancher holländische Kaufmann ein ganzes Jahresgehalt für eine einzige Zwiebel der legendären „Semper Augustus“. Ein Virus verlieh der Tulpensorte ihre faszinierende rot-weiße Musterung. Die Nachzucht gelang nicht. Heute ist die Sorte verschwunden.
Die erste transgene Blume mit veränderter Farbe blühte 1987 am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln. Die Genetiker Peter Meyer und Gert Forkmann schleusten ein Mais-Gen in Petunien ein. Die einst weißen Blütenblätter schimmerten plötzlich lachsrot.
Von Gentechnik-Kritikern attackiert, überließen die Blumenpioniere das Feld dann aber vor allem Amerikanern und Australiern. Florigene präsentierte 1996 die erste marktreife Gentech-Blume: „Moondust“, Mondstaub, taufte die Firma ihre hellviolette Nelke, eine Farbvariante, die in der Natur nicht vorkommt.
Inzwischen vertreibt Florigene sechs transgene Nelkensorten in verschiedenen Violetttönen. 75 Millionen Exemplare sind verkauft, drei Farbvarianten auch in der EU zugelassen und in Deutschland erhältlich, etwa bei dem hessischen Blumengroßhändler Bigi. Jeder Bund Nelken hat ein Gentech-Label.
Und die Forschung blüht weiter: „Inzwischen sind Freilandversuche für mehr als zwei Dutzend transgene Zierpflanzen genehmigt worden“, berichtet die Pflanzengenetikerin Adelheid Kuehnle von der University of Hawaii. Hellblaue Torenien, bronzefarbene Forsythien und gelbe Petunien erschufen die Forscher bereits.
Auch dem Duft der Pflanzen sind sie auf der Spur. Der US-Forscher David Clark von der University of Florida etwa hat eines der für den Rosenduft verantwortlichen Gene identifiziert. Sein Ziel: den mitunter geruchsfreien Zuchtrosen wieder mehr betörenden Duft zu entlocken.
In Deutschland wiederum arbeiten Forscher um Heiko Mibus von der Universität Hannover daran, Glockenblumen und dem Flammenden Käthchen das Welken auszutreiben. Die Forscher sorgen dafür, dass die Blumen Ethylen nicht mehr erkennen, jenen Stoff, der die Haltbarkeit der Gewächse wesentlich beeinflusst.
Und die Stuttgarter Firma Ornamental Bioscience entwickelt Fleißige Lieschen, Petunien und Weihnachtssterne, die resistent gegen Krankheiten, Kälte oder Trockenheit sind. Robuste Blumen, die auch Langstreckentransporte unbeschadet überstehen, sind im weltumspannenden Schnittblumenhandel heiß begehrt. Auch der Blumenfreund von nebenan könnte profitieren: Wer etwa den Strauß für die Liebste im Winter im Auto vergisst, muss sich möglicherweise künftig keine Sorgen mehr machen. „Unsere Petunien vertragen inzwischen Temperaturen von minus sechs Grad“, sagt Robert Boehm, der technische Leiter der Firma. Mit marktreifen Sorten rechnet er indes nicht vor 2011.
Als Heiliger Gral der Blumenzucht gilt jedoch von jeher die blaue Rose. Den Suntory-Forschern
ist der Durchbruch gelungen. Geschickte Manipulation der Farbstoffsynthese brachte den ersehnten Erfolg. Das erste Problem: Rosen fehlt – wie auch Nelken oder Chrysanthemen – von Natur aus ein entscheidendes Gen für die Herstellung blauer Farbstoffe. „Züchter haben jahrhundertelang versucht, blaue Rosen zu kreieren“, sagt Petunien-Schöpfer Gert Forkmann, der inzwischen an der TU München arbeitet. Das blaue Wunder erlebte keiner von ihnen: „Alle blauen Rosen, die es heute schon zu kaufen gibt, sind gefärbt“, sagt Forkmann.
Das Suntory-Forscherteam schleuste daher zunächst ein Veilchen-Gen in das Rosengenom ein. Der Erbgutschnipsel steuert die Produktion des blauvioletten Farbstoffs Delphinidin. Gleichzeitig gelang es den Forschern, die Synthese roten und orangenen Farbstoffs in den Blütenblättern zu stoppen. „Damit haben wir jedoch noch immer keine wirklich blaue Rose“, erläutert Yoshikazu Tanaka, Chefentwickler der Gentech-Blume. Nicht nur die Konzentration des Farbstoffs, auch beispielsweise der Eisengehalt der Blütenblätter, der pH-Wert sowie weitere Pigmente seien entscheidend für die Farbausprägung.
„Der pH-Wert der Rosenblätter ist nicht hoch genug, sie sind zu sauer“, sagt Tanaka, „wir hoffen jedoch, den Stoffwechsel der Blumen noch besser in den Griff zu bekommen.“ Eher violett als marineblau sei die Designer-Rose bislang, räumt Tanaka ein. Freilandversuche in Kolumbien, Australien und Japan sollen die Entwicklung jedoch schnell voranbringen. „In ein paar Jahren“, ist sich Tanaka sicher, werde Suntory die Blume der Liebe in den unterschiedlichsten Blautönen anbieten können.
Blau, blau, blau blüht die Ro-ose? Dürfen sich die Gäste des „Musikantenstadls“ also schon mal warmschunkeln? Zumindest in hiesigen Breiten haben es die Gentech-Blumen schwer. Der erste Versuch von Florigene, seine transgenen Nelken in Europa zu etablieren, scheiterte 1999 am Widerstand von Umweltverbänden. Denn für Gentechnik-Gegner sind die neuen Schnittblumen perfides Teufelszeug. „Wir brauchen transgene Blumen noch weniger als transgene Nutzpflanzen“, sagt etwa der Molekulargenetiker Michael Antoniou vom King’s College London. „Wer sie entwickelt, pfuscht mit dem Leben herum, nur um Geld zu machen.“
Antoniou setzt selbst Gentechnik ein, um Gentherapien zu entwickeln – unter kontrollierten Bedingungen, wie er betont. Die Anwendung der Technik in freier Natur hält er dagegen für fahrlässig. „Die Technik ist nicht präzise genug, die Folgen sind nicht voraussagbar – außerdem sehe ich absolut keine Rechtfertigung, diese Pflanzen zu entwickeln.“
Die Fans der Genblumen sehen die Dinge naturgemäß anders. „Die Blumen sind ja nichts, was man isst“, sagt Robert Boehm von Ornamental Bioscience. Auch Forkmann hält das Risiko für Mensch und Umwelt für gering: „Man muss allerdings von Fall zu Fall entscheiden.“
„Es ist legitim zu fragen: Brauchen wir das?“, sagt Forkmann. „Ich glaube jedoch, dass der ästhetische Wert von Blumen wichtig ist für unser Leben.“ Zierpflanzen seien dafür da, den Menschen zu erfreuen.
Für dich soll’s blaue Rosen regnen? Das allerdings kann teuer werden: Als „luxuriöse Schnittblume“ soll die Rarität vermarktet werden, heißt es aus Osaka. Tanaka: „Der Preis wird schon etwas höher liegen.“ PHILIP BETHGE
Aus: Wissen.spiegel.de
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