Der Prius hat Vorrang

Akihiko Otsuka ist zufrieden. Viereinhalb Jahre hat der Chefingenieur an der dritten Auflage des Prius gearbeitet. Nun erweist sich das Hybrid-Fahrzeug für Toyota, den größten Autobauer der Welt, als Lichtblick in der Krise. Seit der ersten Produktvorstellung im Mai hat Toyota schon mehr als 120000 Fahrzeuge verkauft – mehr als ein Zehntel des Absatzes des Vorgängermodells. Die Wartezeit in Japan beträgt mehr als acht Monate, obwohl Toyota im Monat 50.000 Stück baut.
Die Freude über diesen Erfolg ist dem 46 Jahre alten Otsuka beim Gespräch in der Firmenzentrale anzusehen. Er ist stolz, als Chefingenieur für das Vorzeigeauto des Konzerns verantwortlich zu sein. „Ehrlich gesagt, war ich früher neidisch auf die Kollegen, die den Prius entwickeln durften“, sagt Otsuka. Das Auto, das mit Verbrennungs- und Elektromotor ausgestattet ist, genieße hohe Priorität im Unternehmen. Die beste Hybrid-Technik, ein Maßstab für Benutzerfreundlichkeit und zugleich ein erschwingliches Massenauto — diese schwierigen Vorgaben üben auf die Ingenieure besonderen Druck aus.2200 Beschäftigte haben in Spitzenzeiten am neuen Prius gearbeitet, deutlich mehr als bei anderen Fahrzeugen. Dies liegt nur zum Teil am aufwendigen Hybrid-Antrieb, sondern verdeutlicht auch den Stellenwert des Modells. Beim Chefingenieur und seiner kleinen Mannschaft von einem halben Dutzend Mitarbeitern laufen die Entwicklungsstränge zusammen. In gewisser Weise sei es aber auch einfacher, den Prius zu entwickeln als andere Autos, sagt Otsuka. „Alle Abteilungen haben dieses Modell im Blick und bieten mir mit Begeisterung ihre neuen Ideen und technischen Entwicklungen an.“
Die beste Auswahl treffen
Seine Aufgabe sei es dann, die beste Auswahl für das Auto zu treffen. Besonders zufrieden ist er, dass das Auto in Sachen Energieverbrauch und Umweltfreundlichkeit Spitzenreiter, zugleich aber billiger als der Vorgänger sei. Unumwunden räumt Otsuka ein, dass der VW Golf in mancher Hinsicht Maßstab für die Prius-Entwicklung gewesen sei. „Ehrlich gesagt, sind wir noch nicht ganz so weit. Aber wir sind sehr nahe dran.“ Der japanische Chefingenieur mag europäische Fahrzeuge, besonders gefällt ihm ihre Fahrdynamik. Privat fährt er keinen Prius, sondern einen Alfa Romeo GTV im klassischen Rot. Als er dies einem japanischen Automobilmagazin erzählte, hagelte es Kundenbeschwerden. Aber Otsuka hat eine Erklärung parat: „Wir haben so viele Bestellungen für den Prius in Japan, und als Toyota-Angestellter folge ich dem Prinzip: Der Kunde geht vor.“
Der Grundentwurf des Prius stammt zwar gar nicht aus Japan, sondern aus dem Toyota-Designcenter im französischen Nizza. Doch sieht Otsuka in dem Auto japanische Prinzipien verwirklicht, die östliche Ingenieurskunst von westlicher unterschieden. Mehr noch als bei normalen Autos hänge im Hybrid-Fahrzeug alles voneinander ab. Kleine Änderungen an den Vorgaben etwa für den Geräuschpegel wirkten sofort auf den Verbrauch und verlangten eine gute Balance. „Ich glaube, dass wir Japaner einen besonderen Sinn für Harmonie und Ausgewogenheit haben. Das hat die Entwicklung des Prius sehr positiv beeinflusst.“ Diesen Sinn für Harmonie erfordern auch die unterschiedlichen Hobbys des Chefingenieurs. Der Vater zweier Kinder spielt Schlagzeug in einer Rockband, fliegt zum Fliegenfischen nach New Mexico und kocht gerne italienisch.
Wenn Otsuka vom Prinzip des Monozukuri spricht, der in Japan hochgelobten Geisteshaltung des konkreten Schaffens und Perfektionierens von Dingen, wird deutlich, dass er seinen Beruf mag. Das Auto vereine so viele unterschiedliche Techniken, beschreibt er sein Vergnügen am Entwerfen. Und der Produktzyklus sorgt dafür, dass er nie lange darauf verzichten muss: Derzeit arbeitet Otsuka an einem Facelift für die dritte Prius-Auflage, die in etwa zwei Jahren ansteht.

Von Patrick Welter
Aus: faz.net

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