Interview mit Till Weingärtner

Wie man Übersetzer für japanische Literatur wird, warum Japaner unsere Witze oft nicht verstehen und welche japanischen Bücher man unbedingt lesen sollte, erklärt in einem Interview Till Weingärtner, Japanologe und Übersetzer des kürzlich erschienenen Romans Der Schatten der blauen Katze.

Japanliterur: Naoyuki Iis Der Schatten der Blauen Katze war Ihre erste Romanübersetzung. Wie lange haben Sie für diese Übersetzung gebraucht?

Till Weingärtner: Die Übersetzung entstand im Rahmen eines von japanischer Seite finanziell geförderten Übersetzungsprogrammes. Dadurch waren einige Rahmenbedingungen vorgegeben, etwa die Abgabe der ersten Hälfte der Übersetzung nach einem halben Jahr und anschließend die Überarbeitung der ersten Hälfte parallel zum Übersetzten der zweiten Hälfte. Dieser Prozess hat sich über ein Jahr hingezogen, wobei es auch Phasen gab, in denen ich nicht an der Übersetzung gearbeitet habe, wenn zum Beispiel eine Reaktion vom japanischen Auftraggeber zu erwarten war.

Japanisch und Deutsch sind Sprachen, die absolut keine Verwandtschaft aufweisen. Es ist dementsprechend schwer, einerseits so nah wie möglich am Text zu bleiben, andererseits aber so zu übersetzen, dass der Text auf Deutsch auch gut lesbar ist. Welchem Aspekt geben Sie den Vorzug?

Theoretisch ist bei einer literarischen Übersetzung immer der Lesbarkeit der Vorzug zu geben – ob man das praktisch immer einhalten kann ist eine andere Frage. Gerade zu Beginn muss man sich dafür oft überwinden. Wenn man ein Gefühl für den Roman entwickelt hat, wird es leichter.

Vor 10 Jahren haben Sie selbst mit einem Japanologiestudium begonnen. Viele angehende Japanologiestudenten haben den Wunsch, später einmal japanische Texte zu übersetzen. Was braucht man für Voraussetzungen dazu bzw. wie lange braucht wohl man, um sich diese Fähigkeit anzueignen?

Tatsächlich war das auch für mich ein ganz wichtiger Beweggrund mit dem Studium zu beginnen. Ich erinnere mich noch, wie ich einer älteren Japanerin, die fast so etwas wie meine “japanische Verwandtschaft” geworden ist, mit 18 versprochen habe, dass ich es irgendwann einmal schaffen würde, japanische Literatur zu übersetzen.

Wichtig sind ohne Frage lange Japanaufenthalte (bei mir bisher vier Jahre). So kann man die Fähigkeit entwickeln, bestimmte Dinge, die eben nicht 1:1 übersetzt werden können, natürlich zu begreifen. Dabei bleibt der Sinn für die eigene Muttersprache ungemein wichtig, damit man die Entsprechungen finden kann.

Ganz praktisch sollte man es mit dem Übersetzen immer wieder versuchen, sich nicht entmutigen lassen, aber auch realistisch bleiben. Manga-Übersetzungen sind ein guter Einstieg, mit relativ leichtem Material zu arbeiten und sich dabei selber kennen zu lernen: Schaffe ich es, die Abgabedaten einzuhalten? Wie gehe ich damit um, wenn ich einmal etwas doch nicht verstehe? Wie kann ich mit meinen Hilfsmitteln umgehen.

Den Übergang zur Literatut findet man, weil etwa die Hefte für Ostasiatische Literatur immer nach guten Übersetzungen suchen (hier darf man allerdings kein Honorar erwarten) und man z.B. auf Aozora.gr.jp Unmengen von japanischen Texten findet, bei denen das Urheberrecht abgelaufen ist. An solchen Texten kann man auch einfach üben, ohne gleich die Veröffentlichung im Kopf zu haben, z.B. an Texten, die schon in Übersetzung vorliegen. So lernt man sich einzuschätzen und merkt ggf. auch, dass einem Übersetzen vielleicht doch keinen Spaß macht.

Aktuell erforschen Sie Humor in Japan bzw. japanische Stand-up Comedy. Man sagt ja allgemein, dass Japaner eine subtilere Sprechweise haben – vieles wird nicht so direkt formuliert wie im Deutschen, sondern nur indirekt ausgedrückt. Wie unterscheidet sich der japanische Humor vom Deutschen? Und ist er für uns überhaupt “lustig”?

Japanischer Humor arbeitet weniger mit konstruierten Geschichten, wie zum Beispiel klassischen “Witzen” im deutschen Sinn. Im Fernsehen wird versucht, Authenzität zu vermitteln: Der Zuschauer soll z.B. das Gefühl dafür bekommen, dass sich auf der Bühne nicht zwei fiktive Charaktere, sondern tatsächlich die Komiker als Privatpersonen streiten. Ist man diese Art von Humor nicht gewöhnt, kann das tatsächlich verwirrend sein. So entsteht bei vielen Deutschen der Eindruck, dass es Manzai-Komikern an Professionalität mangelt, weil sie scheinbar ihre eigenen Texte nicht richtig können. Umgekehrt sind deutsche Witze für viele Japaner irritierend: Warum erzählt mein deutscher Gegenüber denn jetzt von “einem Mann” der in “eine Kneipe” kommt? Was hat dieser Mann denn jetzt mit uns zu tun?

Welche 3 Bücher würden Sie als Japanologe einem Leser empfehlen, der die japanische Literatur kennenlernen will?

Das ist natürlich eine schwierige Frage. Aktuell ist es sicher nicht schlecht, Murakami tatsächlich zu kennen. Kafka am Strand oder der schon vor längerer Zeit in Deutschlan erschienene Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt. Mishima Yukios Das Geständnis einer Maske kann sehr verstörend wirken, fasziniert mich aber immer wieder. Außerdem bin ich ein großer Fan der Dr. Irabu-Reihe: Die seltsamen Methoden des Dr.Irabu ist herrlich komisch und meiner Meinung nach hervorragend von Matthias Pfeifer übersetzt. Dann gibt es ja noch dieses fantastische Buch Der Schatten der blauen Katze von Ii Naoyuki von einem gewissen Weingärtner übersetzt … 😉 Das sind jetzt aber schon mehr als drei Bücher, aber eine konkrete Auswahl zu nennen ist nunmal schwer.

Und zum Schluss noch eine persönliche Frage: Haben Sie einen japanischen Lieblingsautor oder ein bestimmtes Lieblingsbuch?

Bei “Lieblings-”Fragen muss ich leider immer passen, weil sich das nicht selten täglich ändert.
Till Weingaertner

Im Interview mit…
Till Weingärtner M. A., zurzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Japanologie der FU Berlin, Übersetzer diverser japanischer Kurzgeschichten, promoviert über japanischen “Mainzai”-Humor.
Aus:Japanliteratur.net

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Ein Kommentar in Interview mit Till Weingärtner

  • Saskia Brauer  sagt:

    Die Aufgabe des Übersetzers ist ja ziemlich schwer. Besonders wenn es um solche Sprachen geht. Vielen Dank für das interessante Interview! Herzliche Grüße! Saskia Brauer

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