Kami

Der Ursprung der japanischen Götterverehrung liegt in einer schriftlosen animistischen Naturreligion, die davon ausgeht, das Geister oder Seelen natürliche Körper oder Gegenstände wie Berge, Flüsse, Bäume, und Orte bewohnten. Diese Seelengeister oder Gottheiten sind unter anderem die kami. Der Begriff kami kann also je nach Kontext auch als Seele oder Naturgeist wiedergeben werden.

Torii von Carina

Nach einer klassischen shintoistischen Definition bezeichnet kami sowohl die Gottheiten in den klassischen Mythen, als auch die Gottheiten der einzelnen Shinto-Schreine, sowie die Seelengeister in Menschen, Tieren, Bergen, Flüssen etc. In alter Zeit wurde alles, was in irgendeiner Weise außergewöhnlich war, kami genannt unabhängig davon ob es sich um etwas Gutes oder Schlechtes, Erhabenes oder Abstoßendes handelte. Auch hochgestellte Persönlichkeiten konnten als kami bezeichnet werden, selbst wenn ihre Göttlichkeit vielleicht nur in einem lokal begrenzten Rahmen gültig war. Zugleich werden auch ausländische Götter und der christliche Gott mit dem Begriff kami bezeichnet. kami kann sowohl als Singular als auch als Plural interpretiert werden, daher ist es ohne weiteres möglich monotheistische und polytheistische Vorstellungen in einem Begriff zu vereinen. Der Begriff kami greift somit sehr viel weiter als Gott oder Gottheit, schließt diese Vorstellungen sogar mit ein.

Seit jeher nennt man die einheimischen Götter in Japan kami. Doch was kami bewirken, wo sie sich aufhalten und wie sie aussehen, darüber lassen sich kaum verbindliche Aussagen treffen. Die Zahl der kami ist per Definition unbegrenzt. Die Mythen sprechen etwa von der Zahl yaoyorozu, was wörtlich acht Millionen bedeutet, kann aber auch als „unendlich viel“ aufgefasst werden. Tatsächlich können neue kami jederzeit entstehen, ebenso können alte in Vergessenheit geraten.

Im Laufe der Zeit wurden die kami zu unsichtbaren Wesen abstrahiert, von denen es keine bildliche Vorstellung gab. Die bisher selbst als die kami verehrten konkreten Erscheinungen wurden somit als deren äußere Hülle, als eine Manifestation der Gottheit in der sichtbaren Welt der Menschen angesehen. Dies führte dazu, dass verschiedenste Gegenstände, vor allem Schwerter, Edelsteine oder Spiegel – historisch die drei Symbole des Tenno – als „Götterkörper“ (shintai) betrachtet wurden, in denen sich die Gottheit niederlassen konnte. Diese shintai erfuhren, als Vertreter der kami, die ihnen zustehende Anbetung, obwohl man keineswegs glaubte, dass der kami immer in seinem shintai weilte; vielmehr war man überzeugt, dass die kami nur zu Zeiten von Festen oder Ritualen aus ihrem Reich in das der Menschen hinabsteigen und sich in ihrem „Götterkörper“ niederließen.

Das japanische Schwert spielt eine zentrale Rolle in der japanischen Mythologie. So gehört ein Schwert gemeinsam mit Spiegel und Krummjuwelen zu den „drei Reichsschätzen“, die das japanische Kaiserhaus von der Sonnengöttin Amaterasu erhalten haben soll und die noch heute aufbewahrt und verehrt werden.

Der Sage nach haben die beiden Gottheiten der kami-Religion Izanami und Izanagi ein Schwert aus Diamanten in den Ozean getaucht und aus den herabfallenden Tropfen sind die japanischen Inseln entstanden. Die von Izanami und Izanagi auf der Erde gezeugte „Grosse Leuchtende Himmels-Göttin“ (Amaterasu-o-mi-kami) ist der Sage nach die direkte Vorfahrin des ersten japanischen Kaisers, die ihm die drei kaiserlichen Insignien (Shiki) „Schwert, Spiegel und Edelstein“ übergab.

Der Mensch ist im geistigen und auch biologischen Sinn „Kamino-ko“, d.h. ein Sohn der Götter. Der Mensch ist demnach göttlichen Ursprungs, in ihm fließt dasselbe göttliche Blut, das in allen Tieren, Pflanzen und Naturdingen fließt. Das Wort kami wird im Chinesischen mit dem Schriftzeichen „shen“ dargestellt, was undurchschaubar oder transzendent bedeutet. Das heißt also, dass der Mensch nicht von dieser Welt ist, dass er anderen Ursprungs ist, nämlich göttlichen.

Deshalb ist die Seele des Menschen ursprünglich rein. So wird auch verständlich, warum in Shinto-Tempeln nur ein Spiegel hängt, denn der Mensch kann seine göttliche Seele in sich selbst entdecken, wenn er in sich hinein schaut. Deshalb bedarf es auch keiner heiligen Schriften, denn das immanente Handlungsgesetz des Universums steht im Herzen (kokoro) des Menschen. Von göttlicher Hand geschrieben. Jeder Mensch trägt demnach sein moralisches Gesetz in seinem Herzen, weshalb die wichtigste Handlungsanweisung „erkenne Dich selbst!“ lautet.

Aus: Ruther-Verlag

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