Lebende Sushi-Buffets und elastische Törtchen

Der spanische Avantgardekoch Ferran Adrià über seine Leidenschaft für die japanische Küche und einen neuen Kinofilm zum Thema
von Ferran Adrià
Vergangenes Jahr kam Isabel Coixet gemeinsam mit Dieter Kosslick, dem Direktor der Berlinale, in mein Restaurant „elBulli“ zum Abendessen. Nach dem Essen setzte ich mich dazu und wir unterhielten uns ein wenig. Es dauerte keine zwei Minuten, bis ich mit Isabel über Japan und unsere gemeinsame Faszination für dieses Land ins Gespräch kam. Sie erwähnte, dass sie in Kürze mit Dreharbeiten in Tokio beginnen würde, zu einem Film, in dem das Essen eine besondere Rolle spielen würde. In diesem Zusammenhang redeten wir auch darüber, wie schwierig es sei, das ganze Thema des Kochens im Kino richtig zur Geltung zu bringen, weil es in den meisten Fällen übertrieben dargestellt wird.
Vor einigen Wochen hatte ich dann die Gelegenheit, „Eine Karte der Klänge von Tokio“ zu sehen. Voller Erwartungen, wie Isabel das kulinarische Thema umgesetzt hatte, habe ich festgestellt, dass der Film neben „Ratatouille“ zu den wenigen Ausnahmen gehört, die sich dem Thema mit einer großartigen Sensibilität nähern und dabei immer real wirken. Schon die ersten Minuten sind bezeichnend. Es gibt in Japan eine Tradition, Sushi auf schönen Frauenkörpern zu präsentieren. Ich selbst kenne das Ereignis auch nur von Fotos, und der Szene auf der großen Leinwand beizuwohnen ist spektakulär.

Ein Spaziergang über den Fischmarkt von Tokio ist magisch. Jeder, der Japan besucht, sollte diese überwältigende Schönheit auf keinen Fall verpassen.

Wenn man in Spanien nach den typischen Eigenheiten der japanischen Küche fragen würde, würde man vermutlich zur Antwort bekommen, dass sie sehr salzig ist, wegen der vielen Sojasoße, und dass es nicht viele warme Gerichte gibt. Tatsächlich wird in der japanischen Küche Sojasoße wie Salz verwendet, allerdings nur in geringen Dosen. Und ganz bestimmt ist Japan der Ort, an dem warme Gerichte richtig heiß gegessen werden. Es ist sogar wahrscheinlich, dass dies einer der Gründe dafür ist, warum man Ramen (Nudelsuppe) dort so lautstark schlürft. Dieses Geräusch ist ein Zeichen des guten Geschmacks. Die Tonspur beim gemeinsamen Ramen-Essen der Protagonisten im Film hat schöne Erinnerungen in mir geweckt. Wenn man gemeinsam mit Japanern Ramen ist, wird man anhand der Geräusche, die man von sich gibt, als guter Esser identifiziert.

Ein anderer kulinarisch interessanter Aspekt ist der Erdbeer-Mochi. Ich habe ihn in dem fantastischen Restaurant „Shunka“ in Barcelona entdeckt, das von Sakay beliefert wird, einem japanischen Konditor. Ein Mochi ist ein Törtchen aus einer fast unbeschreiblichen, elastischen, beinah kaugummiartigen Masse, die in diesem Fall mit Sahne und Erdbeeren gefüllt ist. Ich befragte den Koch des „Shunka“, ob der Erdbeer-Mochi eine traditionelle japanische Nachspeise war, da ich immer gedacht hatte, dass japanische Desserts ohne Sahne zubereitet werden. Da ich wusste, dass Isabel ebenfalls Stammgast in diesem Lokal war, fragte ich sie, ob sie in Japan auch Erdbeer-Mochis gefunden hatte, oder ob es sich um eine Spezialität des „Shunka“ handelte. Sie erklärte mir, dass es zwar nicht einfach war, welche zu finden, aber dass diese Speise in Japan existierte.
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Die Killerin im Film hat ein Faible für Mochis. Sie stellen einen Moment einsamen Genusses für sie dar. In dieser Szene zeigt sich deutlich, wie die Japaner nicht nur mit ihrem Körper essen, sondern mit all ihren Sinnen und ihrer Seele.

Eine andere meiner Erfahrungen in Bezug auf die japanische Esskultur besteht darin, morgens um sechs Sushi in einer Bar neben dem Tsukiji-Fischmarkt zu essen. Wer nach Tokio reist und diese Erfahrung nicht teilen möchte, dem sei zumindest ans Herz gelegt, eines der Lokale rund um den Fischmarkt zu besuchen. Es sind die Lokale, die wir auch in Isabels Film sehen und die mich genauso wie sie begeistert haben. Die Ästhetik und das Ambiente sind magisch und unvergleichlich.

Aus:Welt.de

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