Jedes Jahr mache ich einen Ausflug mit meinen Studenten des dritten Studienjahres zum Berg Takao. Obwohl weniger als 600 Meter hoch, stützt dieser Berg eine große Vielfalt an Flora und Fauna; und er ist auch die Heimat einer reichen Sammlung von Volksmärchen, vor allem, im Zusammenhang mit geheimnisvollen Berg Kreaturen Tengu genannt.
Wenn man zurück zu ihren Wurzeln in China und Indien geht, können Tengu eng mit Sternschnuppen in Verbindung gebracht werden; tatsächlich Asteroiden, die beim Eintritt in die Atmosphäre der Erde explodieren. Sie gelten als Vorboten des Bösen und des Unglücks.
Die erste Erwähnung der Tengu in Japan wurde in der Nihon Shoki vom Jahre 637 aufgezeichnet, als ein „großer Stern“ durch den Himmel mit einem lauten Donnerschlag schoss. Ein Priester der vor kurzem von Studien in China zurück gekommen war, identifizierte den Klang nach dem Bellen eines Himmelshundes, Tengu genannt.
Nach diesem Einzelfall, verschwanden jedoch die Tengu von den japanischen Aufzeichnungen. Als sie wieder zum Vorschein kamen, in Geschichtensammlungen aus dem 10. bis 13. Jahrhundert zusammengestellt, waren sie völlig neu erfunden worden. Im Laufe von einigen Jahrhunderten hatten sich die japanischen Tengu in geheimnisvollen geflügelten Wesen, die in den Bergen leben, entwickelt. Sie mögen besonders gern Reizan oder die heiligen „Spirit Mountains“, an denen buddhistische Mönche versuchen, den spirituellen Fortschritt und übernatürliche Kräfte durch das Üben schwerer Asketen zu gewinnen.
Die Berge rund um der Kyoto und Nara-Becken waren bald voller Tengu. Diese Kreaturen sind geschickte Formwandler und die besten Illusionisten. Sie tricksen oft naive Buddhisten Mönche, indem sie als Buddhafiguren erscheinen oder Illusionen des Paradieses herbei zaubern. In einer berühmten Legende lehren Tengu jedoch dem Jungen Helden Yoshitsune geheime Schwert-Kampftechniken.
In diesen frühen Geschichten erscheinen Tengu häufig in Form eines schwarzen Drachen, ein brauner, mittelgroßer Raubvogel genannt Tobi oder Tombi auf Japanisch. In einer Geschichte, rettet ein Mönch einen Drachen von einer Bande von Jungen. Später trifft er einen alten Mann, der in Wirklichkeit der gleiche Tengu in Verkleidung ist. Im Gegenzug für seine Güte, zeigt der Tengu dem Mönch eine Vision des Buddha der die Lotus-Sutra predigt.
Tobi sind bei weitem die zahlreichsten Raubvögel hier in Japan. Sie sind eine der ganzjährig ansässigen Arten, sie bewohnen eine Vielzahl von Plätzen von der Küste bis ins Hochgebirge. Hochflexible, fressen Tobi eine Vielzahl von Kleintieren. Sie ergattern auch Tierleichen und Müll und sogar Lebensmittel, die sie direkt von den Menschen stehlen.
Eines Tages sass ich auf einem Felsen an der Kamogawa in den Ausläufern nördlich von Kyoto. Ich machte meine Mittagspause, und war im Begriff, einen Bissen von einem Ei-Sandwich zu nehmen; als plötzlich ein schwarzer Drachen sich lautlos von hinten auf mich stürzte. Der Vogel zischte nur an meinem Ohr vorbei, dann streckte er seine Beine aus und riss das Sandwich direkt aus meiner Hand mit seinen Krallen!
Die Takao Tengu erscheinen in zwei Typen: eine lang-Nasen Art, genannt O-Tengu oder „großer Tengu“ auf Japanisch, und ein Vogel-Schnabel-Typ, genannt sho-Tengu oder „kleiner Tengu“. Die Lang-Nasen Art trägt einen magischen Fächer, aus Federn oder aus den großen Blättern des yatsude oder fatsia Strauch gemacht. Mit wenigen Handgriffen dieses Fächers kann ein Tengu einen gewaltigen Sturm hervorschlagen.
Kevin Short
Übersetzung Carina
Aus The Japan News
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